Die Emotionen basteln

Konzerthaus Schüür, 09.08.2019: The Fridge spielt eines seiner seltenen Konzerte im Schüürgarten. Chregi Müller, Musiker und Geschäftsführer von Red Brick Chapel, plant gerade sein neues Album – und muss seine alten Songs inzwischen auf Spotify nachhören.

Der Schüürgarten wartete am Freitagabend auf das Gewitter. Doch vor dem grossen Wolkenbruch und Donnergrollen erfüllten sanfte Töne den Hinterhof des Konzerthauses: The Fridge lud zum Konzert. Wieder einmal, ist man versucht zu sagen, denn es ist die erste Show des 38-jährigen Songwriters seit einem Jahr (!). Etwas nervös sei er, meinte Chregi Müller, wie The Fridge mit bürgerlichem Namen heisst, im Vorfeld. «Ich spiele seltener, dafür an ausgewählten Orten. Das macht die Konzerte noch etwas spezieller.»

The Fridge ist Melancholie auf akustischer Gitarre, inklusive einer Stimme, die mit den langgezogenen Vokabeln, den subtilen Harmonien und der typisch gehauchten Gesangstechnik stark an Thom Yorke erinnert. Die Texte handeln von Unsicherheiten, von (unglücklicher) Liebe, von Menschlichkeit. Musikalisch steht die Gitarre im Zentrum, untermalt von einer subtilen, facettenreichen Band. «Freak Folk» nennt sich der Stil. Darauf angesprochen seufzt er und sagt: «Das ist so eine Sache mit diesen Genres.» Die Leute hätten konkrete Vorstellungen, wenn von Folk-Musik die Rede sei. So habe er den Begriff «Freak Folk» gewählt, um diese Erwartungshaltung abzuschwächen. Heute würde er sich aber eher «Freak Pop» nennen, denn «ich bin zur Einsicht gelangt, dass abgesehen von Jazz und Klassik alles Pop ist».

Neues Album im Entstehen

Diese Einsicht hat wohl mit seinem Beruf zu tun. Gemeinsam mit Simon Borer, aka Long Tall Jefferson führt er das Musiker*innen-Kollektiv Red Brick Chapel, dem unter anderem Acts wie Haubi Songs, Hanreti, Alois oder Vsitor angehören. So wohnt und arbeitet der «Exil-Solothurner» (ebenfalls eine Beschreibung, die man über The Fridge findet) in Zürich, ist aber in der Zentralschweizer Musikszene bestens vernetzt. Dies übrigens ein Satz, der Müller nicht gefallen dürfte. «Ich lerne ganz viele Menschen über die gemeinsame Leidenschaft des Musikmachens kennen – woher jemand kommt, ist bei den geografischen Dimensionen der Schweiz völlig sekundär.» Wo er Recht hat …

Also zurück zur Musik: Ein Blog nannte The Fridge dereinst einen «Ein-Mann-Bastler». Ein durchaus passender Begriff. So produzierte er seinen ersten Release vor rund zehn Jahren selber, nur mit Laptop und Musikbearbeitungsprogramm. Ohne viel Know-how, aber einem scharfen Gehör und Try-and-Error-Mentalität. «Emotionales Produzieren» nennt er es. Inzwischen sind vier emotional produzierte Veröffentlichungen Realität, zwei Alben, zwei EPs. Der letzte Release «Campus EP» erschien vor drei Jahren. Zeit für etwas Neues, findet auch Müller. Er schreibt momentan an seinem dritten Studioalbum. Doch noch stellen sich ihm einige Fragen: Produziert er alleine oder mit der Band? Oder in Kollaboration mit anderen Musiker*innen? Singt er Englisch oder Mundart? Er sei in der Findungsphase, wolle sich Zeit lassen. «Zum ersten Mal seit dem Beginn von The Fridge habe ich das Gefühl, ich habe Zeit, mich mit all diesen Fragen gründlich zu befassen», sagt er. Was er weiss: «Ich möchte alle Phasen durchmachen: Das Songschreiben auf der akustischen Gitarre, das Basteln am Computer und schlussendlich das Beiziehen von anderen Musikschaffenden.»

«I don’t know how to fly this thing»

Im Schüürgarten spielt The Fridge keine neuen Songs, so weit seien die Stücke noch nicht. Also bildet eine Sammlung aus alten Stücken die Setlist. Auch das sei nach so langer Zeit abseits der Bühne nicht nur einfach. «Ich musste heute auf Spotify meine alten Songs nachhören», sagt er im Vorfeld des Konzerts – eine Anekdote, die er später auf der Bühne wiederholen wird. Die Songs seien bis zu 15 Jahre alt, da sei man sich ab und zu nicht mehr sicher über einzelne Abläufe oder Textzeilen. Es fühle sich an, als würde er sich selbst covern, meint er.

The Fridge im Schüürgarten

Als die Show beginnt, merkt man The Fridge die fehlende Spielpraxis nicht an. Auch wenn er singt: «I don’t know how to fly this thing», landet er ganz sicher im Schüürgarten. Vereinnahmend schön sind die Zeilen, die er alleine von sich gibt – ohne Backtrack, ohne aufgeschichtete Synthies, nur Stimme und Gitarre und die Soundkulisse der ihn umgebenden Stadt. Die Strasse ins Tribschenquartier und das Kreischen der einfahrenden Züge untermalen die Songs. Und als hätte auch das sich anbahnende Gewitter gebannt zugehört, fallen die ersten Regentropfen pünktlich zum letzten Lied.

Übrigens: Das letzte Gartenkonzert im Schüürgarten diesen Sommer spielen am Samstag Hanreti im Duo!

Hanreti (Duo)
SA 10. August, 21 Uhr
Konzerthaus Schüür, Luzern

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