Crinch

Konzerthaus Schüür, Luzern, 08.01.2020: Anfang Januar ist wieder «Kick Ass Award»-Zeit. Vieles war gleich; Es wurde getrunken, geküsst, gewitzelt und fremdgeschämt. Wie es eben sein soll.

Urban Dictionary

Der «Urban Dictionary», Duden der Generation Internet, erklärt den am Mittwochabend vom Schüürpublikum meistgeäusserten Begriff: «crinch». Zu «crinch» gehört ein gewisses Gefühl, das man zum Beispiel dann verspürt, wenn der Schulkamerad seinen schlecht vorbereiteten Vortrag über das Ökosystem der Tundra haspelnd und mit immer röterem Gesicht vor versammelter Klasse vorträgt. Oder wenn man einfach nächste Woche am späteren Abend RTL einschaltet (das Dschungelcamp beginnt wieder). Es zieht etwas im Bauch, man möchte gleichzeitig glotzen und lieber doch nicht zuschauen.

«Crinche» Momente generieren Aufmerksamkeit und diese Aufmerksamkeit ist in unserem Medienzeitalter eine harte Währung. Also spielt man damit, besonders wenn man sich «Kick Ass Radio» nennt. Soweit so legitim und nachvollziehbar.

Kick Ass Award 2019

Verantwortlich für die memorablen Momente der diesjährigen Award-Ausgabe waren die neuen Gesichter. «Dirty Dave» David Roth verabschiedete sich, für manche endlich, gemeinsam mit seinem letzten Co-Moderator Samuel Konrad in den Moderationsruhestand. Es übernahmen zwei vertraute «3Fach»-Stimmen: Livio Carlin und Lea Inderbitzin begrüssten den Kulturkuchen. Sie rösteten – adäquat «schön» verkleidet und schonungslos parlierend – live die Laudator*innen und Preisgekrönten. Anna Rosenwasser (Geschäftsführerin der Schweizer Lesbenorganisation LOS) durfte mit ihnen knutschen, ebenso Bachelor Patric Haziri; Kriens-Stapi Cyrill Wiget und Luzerner CVP-Präsident Josef Wyss interpretierten herumhampelnd ihre eigenen Versionen des «Dab». Alles eben bitzli «crinch», aber was solls. Das Publikum wurde unterhalten, die 3Fächler*innen – in vorderster Front Carlin und Inderbitzin – kontrastierten angekratzte Grenzen mit genügend Selbstironie.

Nick Furrer aka Haubi Songs gewinnt den KAA 2019

Apropos «crinch» und Grenzen: Als wolle er demonstrieren, was eben scheisse ist und nicht-lustig-fremdschämig, trat als letzter Laudator des Abends Seppli MC auf, eine wohl auf Youtube erfolgreiche «Kunstfigur» des Bündners Cris Swiss (der ist mal beim «Grössten Schweizer Talent» als sehr schnell rappender Rapper aufgetreten; DJ Bobo und Christa Rigozzi fanden ihn grossartig). Mit viel Schweizerkreuz und dummem Sexismus metzgete er sich sehr mies (auch seinen Schnell-Rap-Auftritt verkackte er gehörig), da zog auch keinesfalls zur Legitimation seine Verkleidung als «Kunstfigur». Das Publikum zeigte sich dezent unamüsiert.

Im Grossen und Ganzen war aber der Abend eine lustige Sache, er bot genug Anlass bei Bier über und mit Menschen zu reden, und gewonnen haben wie immer die Richtigen. Den Jury-Award für das beste Luzerner Album gewannen Blind Butcher für ihr grossartiges Werk «Piss Me A Rainbow». Hauptgewinner des Abends war Nick Furrer aka Haubi Songs mit «Stars». Er durfte seinen Gewinner-Song auf improvisiertem Playback vorsingen. Auch ein bisschen «crinch», aber eben lustig.