Potentielle Stars von Morgen

KKL Luzern, 23.06.2015: Einmal mehr durften sich die StudienabgängerInnen des Solo Performance-Studiengangs der HSLU Musik als krönenden Abschluss im Konzertsaal des KKL Luzern präsentieren. Begleitet wurden sie vom Luzerner Sinfonieorchester (LSO) und dessen Chefdirigenten James Gaffigan.

Wie rezensiert man Kommilitonen und Kommilitoninnen? Keine leichte Aufgabe, zumal es sich bei den vier musizierenden Mitstudierenden um die Crème de la Crème der Klassik-Abteilung handelt. Immer im Juni, kurz vor Semesterende, steigt die Elite vom Dreilinden-Konservatorium herab in die heiligen Hallen des KKL. Dabei hinterlassen die Interpretationen stets bleibende Eindrücke bei den Studierenden der HSLU – oder zumindest bei jenen, die das Konzert besucht haben. Eröffnet wurde der Abend durch die Pianistin Natalia Ryzhova mit Stravinskys dreisätzigem Capriccio. Ein augen- und ohrenscheinlich hoch anspruchsvolles Stück Musik voller Ecken und Kanten mit wenig Raum für Lyrisches oder Agogisches. Die Interpretation gelang überzeugend und temperamentvoll, wenn auch die Kommunikation zwischen dem Orchester und der Solistin bisweilen etwas intensiver hätte ausfallen können. Es folgte Bernd Alois Zimmermanns viel zu selten gespieltes Violinkonzert – kurz und bündig, bisweilen brachial und laut, aber mit wohldosierten kantablen und gar tänzerischen Elementen. Die Geigerin Fiona Milla Jäntti spielte es selbstbewusst sowie selbstbestimmt und nahm mit diesem Ausdruckswillen sowohl Publikum als auch Orchester bei der Hand. In der Pause zeigte sich: An diesem Anlass kennt jeder jeden, wirklich. Die 25 Minuten waren äusserst knapp bemessen, um alle Küsschen und Handshakes über die Bühne zu bringen. Das kann man mögen oder nicht, es gehört aber eben auch zu diesem Alle-Jahre-wieder-Format. Dann die Herausforderung des Abends: Die Uraufführung von «Ruthless», einer Komposition von Victor-Alexandru Coltea. Die Challenge lag allerdings mehr beim LSO als bei den Zuhörern – auch wenn das Stück stilistisch klar in der «typischen neuen Neuen Musik» anzusiedeln ist, so war es dennoch ein Hörvergnügen. Spannende instrumentatorische Einfälle liessen aufhorchen, kryptisch anmutende Rhythmen mithören. Obwohl das LSO regelmässig Stücke der oben genannten Gattung spielt, wirkten die Musiker stellenweise etwas ratlos und überfordert und es bleibt die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Haben bei der Komposition selbst Aufwand und Ertrag nicht gestimmt oder kamen beim LSO Ertrag und Aufwand auf keinen grünen Zweig? Zu guter Letzt schliesslich der insgeheime Höhepunkt des Abends: Prokofjews zweites Klavierkonzert, dargeboten von der Pianistin Maria Anikina. Deren Level an Skills, Gestaltungswillen, Spass und Natürlichkeit war extraordinär. Allein die mentale und physische Leistung, dieses Klavierkonzert an der eigenen Solistenprüfung zu spielen, diese Kondition zu haben, verdient eine eigene Auszeichnung. Und dazu geht die Pianistin auch hochsensibel, einfühlsam und kreativ mit dem halsbrecherischen Stoff um – eine wirklich gelungene Interpretation. Als Schlusswort sei angemerkt: Dass die Crème de la Crème kein Stück auswählt, das vor 1913 geschrieben wurde, ist ein erfreuliches Statement einer jungen Musikergeneration, die im Bewusstsein spielt und übt, dass die klassische Musik nach Beethovens Violinkonzert nicht zu Ende ist. Dass das LSO diese Musiker so wohlwollend begleitet, ist ebenfalls erfreulich und so darf man sich getrost auf’s nächste Sehen-und-gesehen-werden im Juni 2016 freuen.