Der Sog und der Unsinn

Südpol Kriens, 5.12.2013: Der Verlag «Der gesunde Menschenversand» beging seinen 15. Geburtstag mit einer Gala im Rahmen von Barfood Poetry. Nicht nur wurde ein Einblick in die Bandbreite des Schaffens der Verlagsfamilie gewährt, vor allem zeigte sich, wie viel Qualität sich dort mittlerweile eingefunden hat.

Nur die Langeweile fehlte. Am «längsten Büchertisch der Verlagsgeschichte» waren sämtliche jemals im Menschenversand erschienenen Produkte zu finden, bis auf eines: «Das Buch der Langeweile», eine Anthologie und das erste Buch des mittlerweile zum Heimathafen der schweizerischen Spoken-Word-Szene gewordenen Verlages. Was sich aber abgesehen davon in den 15 Jahren des Bestehens angesammelt hat, ist beachtlich: 12 Bände der «edition spoken script», unzählige Kleinode wie «Das Lexikon der ausgestorbenen Sportarten» oder «Gelb gegen Dzemaili» (Dani Wylers in Zeilenform gebrachter Kommentar eine Fussballländerspiels), Musik-CDs und Hörbücher – und Stofftaschentücher mit King Pepe Signet. Zusammen mit Le Rex führte dieser King Pepe als Hausband musikalisch durch den Abend. Man spielte einige Songs der CD «Pepejazz», zwei der CD «Tierpark» (die durch die bläserlastige Neuausrichtung ganz neue Dynamik erhielten) und jingelte jeweils die Gäste an. Von diesen gab es einige und einige ganz herausragende. Den Anfang machte der Grossmeister der sprachlichen Ellipse, Jens Nielsen. Er performte die überarbeitete Version des Textes, den er für die zweite Ausgabe der diesjährigen Texttiegel-Staffel im Kleintheater gemäss den Regeln jener Veranstaltung in 45 Minuten geschrieben hatte (nachzuhören hier). Dabei demonstrierte er eindrücklich die Nielsen-typischen Tugenden, die auch in seinen zwei in der «edition spoken script» erschienen Bücher («Alles wird wie niemand will», «Das Ganze aber kürzer») nachlesbar sind: Einen sich langsam und genüsslich in die tiefsten Tiefen des Unsinns herabschraubenden Handlungsstrang, verbunden mit dynamischen und einen unheimlichen Sog entwickelnden, kaputten, von Wortwiederholungen geprägten «Stammelsätzen». Damit waren die Achsen des Abends gegeben: Der Sog und das Absurde. Näher an ersterer lag etwa Pedro Lenz, der mit vielen «ch»-Lauten über seine Küche referierte und dabei die Perspektive zunehmend veränderte, bis hin zur Küche als Mittel- und Aussichtspunkt seiner Welt. Oder Michael Fehr, der aus seinem Erstlingswerk «Kurz vor der Erlösung» las, und mit vielen Wiederholungen und sich langsam entfaltenden Variationen arbeitete. Dem gegenüber standen die Gebirgspoeten ohne den kranken Rolf Hermann: Achim Parterre (der als Moderator durch den Abend führte) und Matto Kämpf. Unter anderem trugen sie das Alphabet der Schweiz vor. Sehr schön etwa: «D wie: D Russe chömmed» oder «Q wie: Quadratmeter. Es gid i de Schwiiz kein Quadratmeter, wo ned scho es Traktandum annere Sitzig gsi wär». Ein besonderes Schelmenstück führte Andres Lutz vor, der sich direkt vor dem Publikum postierte, an einer Schnur zusammengebundene Holzstücke in die Menge reichte und über die verschiedenen Hölzer referierte. Das Merkwürdige dabei: Es war unfassbar lustig. Und zeigte, wie offen «Der gesunde Menschenversand» gegenüber allen Arten des Sinns und Unsinns eingestellt ist. Nur, eben, eines fehlte, bei den Büchern und auf der Bühne: Die Langeweile.