Musik, Licht und familiäre Wärme

Hofkirche Luzern, 19.03.2016: Das Zentralschweizer Jugendsinfonieorchester (ZJSO) bespielte unter der Leitung von Joseph Sieber mit dem Programm «HighLights» die Hofkirche. Das gut einstündige Konzert wurde von Markus Güdel mit Lichtinstallationen unter- und bemalt und Wolfgang Sieber spielte die grosse Hoforgel.

Seit knapp fünf Jahren spielt sich das ZJSO mit Erfolg durch die Innerschweizer Orchesterlandschaft. Das gestrige Programm präsentierte in der Tat Highlights der Orchester- und Orgelliteratur. Schwerpunkte lagen auf Stücken der spätromantischen Komponisten Sir Edward Elgar und Camille Saint-Saëns. Beide waren sie offenbar Freunde der gross angelegten musikalischen Gesten und so füllte das ZJSO mit Vergnügen die Hofkirche mit den gewünschten pompösen Orchester- und Orgelklängen. Joseph Sieber dirigierte das umfangreiche Programm auswendig und mit gleichzeitig überzeugender und rührender Hingabe. Rasch wurde klar: Das Präfix der Jugend kann bei der Rezeption dieses Klangkörpers getrost weggelassen werden.  Welche Ohren setzt man nun aber auf? Die Laienlauscher oder die Profiohren? Eigentlich Letzteres, denn das ZJSO überzeugte als bemerkenswerter Klangkörper in allen Stücken. Die ganze Aufmachung, der Dresscode, die Art und Weise des Auftritts zeugten von erwachsener Professionalität und nicht von jugendlichem Übermut. Dieses Selbstverständnis wurde durch eine Dankesrede am Schluss relativiert. Schöner wäre es gewesen, wenn der gelöste Applaus nach dem grossartigen Schlussklang von Saint-Saëns Orgelsinfonie das letzte gewesen wäre, was die Hofkirche an diesem Abend mit Klang gefüllt hat. Die Ernsthaftigkeit des Musizierens, das grossformatige Programmheft, das reich bestückt war mit Superlativen aller Art, kontrastierte gewissermassen mit dem dem Abschluss des Abends, der die Besucher zurück auf den Boden der Vereinstatsachen holte.

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Ausgesuchte Highlights: 1 – das Licht zur Enigma-Variation

Werden klassische Meisterwerke multimedial ergänzt, stellt sich die Frage: Inwiefern bereichert das zusätzliche Medium, in diesem Fall die Beleuchtung des Kirchenraums, die Musik? Bei «Nimrod», der neunten Enigma-Variation op. 36 von Sir Elgar, unterstützte das Licht den dramaturgischen Aufbau dieses berührenden Stücks wunderbar. Markus Güdel inszenierte die musikalische Entwicklung als eine Art Weg vom Dunkel ins Licht und spürte dabei differenziert den zwischen stiller Melancholie und expressiver Artikulation changierenden Tonfall des Stücks. Die Beleuchtung bereicherte in diesem Fall die Sinneswahrnehmung. Man muss jedoch bemerken: Das Konzept des in bunte Lichter getauchten Kirchenschiffs bekam man gestern am Hof nicht zum ersten Mal zu Gesicht. Möglicherweise wäre das Programm auch ohne ausgekommen – zumal das im Altarraum platzierte Orchester beim spielfreudigen Musizieren zu beobachten vermutlich Unterhaltung genug gewesen wäre.

2 – Sieber Solo

Zwischen den Orchesterstücken spielte Wolfgang Sieber drei Solo-Stücke auf der Orgel, zwei davon stammen aus seiner eigenen Feder. Pointiert ausgedrückt ergab sich daraus folgendes Gegensatzpaar: Sein gewohnt humorvoll-leichtfüssiges Orgelspiel machte den bis zu einem gewissen Grad um sich greifenden orchestralen Pathos wett. Natürlich war dies der Wahl des Repertoires zuzuschreiben, aber dennoch sprühte die Orgel vor Jugendlichkeit, während das Orchester sich eher in erwachsener Professionalität zu üben schien.

3 – Sohn dirigiert Vater

Unübersehbar, dass das gestrige Unterfangen in gewisser Weise auch auf dem Sieberschen Familienbetrieb fusste. So kam es, dass Sieber der Jüngere seinen Vater, Sieber den Älteren, auf der Orgelempore via Kamera dirigierte. Über das letzte Stück, das Finale aus Saint-Saëns’ 3. Sinfonie, auch «Orgelsinfonie» genannt, schrieb der Komponist laut Programmheft: «Hier habe ich alles gegeben, was ich konnte.» Dies galt am Samstag auch für die Musiker, denn das spätromantische Werk stellt hohe Anforderungen sowohl an die Spieler als auch an den Dirigenten, der zum einen die komplexen Entwicklungsverläufe in den Sektionen aber auch das Orchester mit der Orgel zu koordinieren hat. Es gelang ganz wunderbar, und den Sohn und den Vater am Ende Arm in Arm zu sehen, war wirklich schön. (Es war sogar noch ein weiterer Sohn da, nämlich in der Horngruppe.) Der Ältere übte sich in bescheidener Zurückhaltung und beschenkte den Jüngeren mit einer Flasche Wein. Ob sich am Hof eine Sieber-Dynastie in Bach'scher Manier entwickelt?

4 – Triangel: Jan Oliver/Bühlmann

Zum Schluss ein Spässchen am Rande: Mit «Pomp and Circumstance» wurde das Konzert eröffnet. Der Name von Elgars Marschzyklus war in dem Falle Programm. Knapp achtzig junge Musiker strömten ins Kirchenschiff, unter ihnen ein weiteres Highlight: Jan Oliver/Bühlmann spielte den Triangel! Die im Marsch verwendete Melodie von «Land of Hope and Glory» hat Fussballhymnen-Qualitäten, doch Joseph Sieber zügelte das Orchester wo es sein musste, so dass die Interpretation trotz allen Übermuts durchhörbar blieb.