Was unsere Kleider wirklich kosten

Südpol Luzern, 18.09.2015: Im Südpol Luzern und in vierzehn anderen Städten der Schweiz fand am 18. September das Festival «Filme für die Erde» statt. Zum Programm gehörten fünf verschiedene Filme zum Thema Nachhaltigkeit, die über 10‘000 Menschen gezeigt wurden. Als Highlight galt das Abendprogramm mit dem Dokumentarfilm «The true cost», der zum ersten Mal in der Schweiz auf Grossleinwand zu sehen war. Er beleuchtet die dunklen Hintergründe der Textilproduktion, zeigt eindrückliche Bilder und hinterlässt tiefe Gefühle.

Ich bin ganz ehrlich: Das «Filme für die Erde»-Festival überzeugte nicht von Beginn an. Nach einer netten Begrüssungsrede (die leider von A bis Z abgelesen war) wurden wir per Livestream mit dem Hauptaustragungsort Winterthur verbunden. Dort fand ein Interview mit den drei Textil-Pionieren Patrick Hohmann (Remei AG und BioRe-Stiftung), Danique Gunning (Mud Jeans), und Peter Waeber (Zertifikat bluesign) statt. Menschenrechte durch Bio-Baumwolle, Jeans mieten statt kaufen und umweltfreundliche Kleidungsproduktion durch Chemikalienelimination – sie haben bereits grossartige Ideen umgesetzt. Schade nur, dass der Moderator des Gesprächs ziemlich unwissend wirkte und zudem noch schlecht Englisch sprach. Was die Holländerin Danique Gunning sagte, wurde vom Englischen ins Deutsche simultanübersetzt. Das hat leider eher verwirrt als geholfen. Der Dokumentarfilm «The true cost» von Andrew Morgan hingegen hat mich zutiefst berührt, aufgewühlt und meine Ansichten zum Thema Kleidung und Mode grundlegend verändert. «Fast Fashion» heisst das Phänomen, mit dem sich der Film beschäftigt. Es beschreibt das heutige Konsumverhalten: Ich kaufe heute, trage es vielleicht morgen – vielleicht auch nicht – und werfe es übermorgen wieder weg. Dann kaufe ich etwas Neues. Es ist ja billig. Mit dieser Konsumgier haben wir es so weit getrieben, dass die Textilbranche heute direkt nach der Ölbranche die schädlichste Industrie für Mensch und Umwelt ist. Von zuoberst bis zuunterst auf der Vermögensleiter kommen im Dokumentarfilm alle Beteiligten des Modebusiness zu Wort. Das Publikum schaut gebannt auf den Bildschirm als eine Arbeiterin mit Tränen in den Augen fleht, wir sollen keine Kleidung tragen, die aus ihrem Blut hergestellt sei. Als die Opfer vom Fabrikgebäude Einsturz am Plaza Rana in Bangladesch, bei dem mehr als 1000 Menschen ums Leben kamen, um ihre Verstorbenen trauern. Als Besitzer von Modelabels betonen, dass Nähen keine gefährliche Arbeit sei. Und als innovative Modedesigner mit ihren Ideen Hoffnung schöpfen für eine fairere Textilindustrie.

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«The true cost» ist einer der eindrücklichsten Dokumentarfilme, die ich bisher gesehen habe. Ausdrucksstarke Bilder berühren den Zuschauer auf der persönlichsten Ebene, starke Worte regen zum Nachdenken an. Experten aus der Wirtschaft, der Landwirtschaft und des Modebusinesses geben erschreckende Einblicke hinter die Kulissen der Textilproduktion – vom Anbau der Baumwolle bis zum fertigen Kleidungsstück am Körper des Konsumenten. In mir hinterliess der Film ein Gefühlschaos aus Wut (über die Gesellschaft und mich selber), Scham (weil ich durch meine billigen Käufe Teil eines riesigen Ausbeutermarktes bin) und tiefer Trauer. Ich war bestimmt nicht die Einzige im Publikum, die sich mit Tränen in den Augen vorgenommen hat, nicht länger an diesem skruppellosen Markt teilzuhaben. Und das meine ich ernst. «Filme für die Erde» ist eine internationale Organisation, die sich für die Verbreitung von Wissen und die Entwicklung eines Bewusstseins für Nachhaltigkeit einsetzt. Dies wollen sie insbesondere erreichen durch die Verbreitung von guten Filmen. Als Mitglied bekommt man jährlich drei bis vier DVDs, die man an Freunde und Bekannte weitergeben kann. Ihr grösster Event ist das Festival «Filme für die Erde», das einmal pro Jahr stattfindet. Als Abschluss des Festivals gab es eine beschränkte Anzahl DVDs von «The true cost» und einen Bio-Aperó. http://filmefuerdieerde.org/