Halle-kissmyfuckingassandsuckmycock-lujah!!

Südpol, 27.02.2015: «Heile, heile Säge» heisst eine neue Reihe im Südpol, die das Schweizer Musikschaffen ins Zentrum rückt. Der Auftakt klang vielversprechend: Julian Sartorius, Reverend Beat-Man und Norbert Möslang demonstrierten ihr Wirken.

Der Thuner Schlagzeuger Julian Sartorius hätte sich eigentlich gleich in einem Luzerner Hotel einquartieren können – in gerade mal sechs Tagen bespielte er die Bühnen der Leuchtenstadt gleich dreimal (diesen Auftritt eingerechnet). Das Grossartige bei Sartorius ist: Mensch kann seine Auftritte immer besuchen. Langweilig sind diese nie. Egal, ob er bei Colin Vallon im Trio spielt, freie Improvisation praktiziert oder «poppigere» Projekte (wie Dimlite oder Merz) begleitet: Stets schafft der Beatproduzent abwechslungsreiche Überraschungen, die die Grenzen des Vorstellbaren sprengen. Mit seinen unzähligen Utensilien – Klangstäbe, Klangschalen, Ziehharmonika und so weiter und so fort – erweitert er das Spektrum des Schlagzeugs, ohne es zu einem Nebenakteur verkommen zu lassen. Auch im Südpol war die Vorstellung einmal mehr eine exquisite Wunderkiste, die zwischen Staunen und ungläubiger Lache in eine Groove-Meditation versinken liess. Auf der Snare erzeugte Sartorius Bärenbrüllen, pitchte eine weitere Trommel mit einem Schlauch zu ungeahnten Höhen oder liess mit Klangschalen den Elektro-Musiker Caribou aufleben. Ein Hochgenuss, das Thuner Trommelwunder. Und das Level blieb hoch: Von Beat-Man zu Beat-Man sozusagen. [youtube 1rD9SHJKjIY nolink] Seiner Hochwürden, Reverend Beat-Man alias Mr. Voodoo Rhythm Records alias Beat Zeller gab sich nämlich die Ehre. Vorab: Seit über zehn Jahren besucht der hier schreibende Autor Konzerte, mehrere Hundert sind es inzwischen, doch eine solche Show wie jene hatte er selten gesehen. Da wurde gespuckt, geflucht, geschrien, gekeift, geschwitzt; es war eine pure Freude. Der Berner Trash-Rocker ist eine Naturgewalt mit musikalischer Macht. Gitarre, Bassdrum, Hi-Hat, Teufelsstimme: Mehr braucht’s nicht. Kein Stück dauerte länger als zwei Minuten. Das zuvor noch etwas zurückhaltende Publikum tanzte plötzlich direkt vor der Bühne.

Beatman

Stets herrschte Interaktion und sympathisch-böser Biss auf beiden Seiten. Zwei Highlights: Die Geschichte der Geburt des Künstlers (siehe Video) sowie ein als Rockabilly-Song angekündigtes Stück, welches nur aus Flüstern, Gestik & Mimik bestand und mit einem Augenzwinkern so ziemlich die ganze Kraft + Historie des Rock'n'Roll demonstrierte – Gitarre hinter dem Rücken, Mikrophon im Anus, Saiten mit den Zähnen bearbeiten: Riesig. Jeder Musiker und jede Musikerin mit dem Wunsch, grossartig im eigenen Tun zu werden, sollte als Inspiration mindestens einmal im Leben Reverend Beat-Man erlebt haben. Punkt. Musikleben in Reinkultur. Hallelujah!!! [youtube y3TfdbOHOMU nolink] Norbert Möslang Nach diesen zwei fantastischen und sehr intensiven Auftritten trat Norbert Möslang zur Finalissima an. In nahezu völliger Finsternis («Joyful Noise In The Dark»-Reminiszenz?) sowie viel Rauch schaffte es der Improvisationsmusiker, mit seinen aus «geknackten Alltagsgegenständen» erzeugten Geräuschen eine gespenstisch-einnehmende Stimmung zu beschwören. Trotzdem war das harte Kost zum Abschluss, die wegen stellenweise grenzwertiger Lautstärkehöhen nicht immer gefiel, aber auf jeden Fall faszinierte. So auch bei einem Grossteil der Zuhörer, die gebannt bis zum Schluss Möslangs Kunst mitlebten und danach zu den Klängen des hiesigen Musikgourmets DJ Fish&Fish in die Nacht tanzten. Faszination ist im Fazit ohnehin das Schlagwort des Abends: Was die drei Schweizer-Musikpreis-2014-Nominierten boten, war beste Werbung für das nationale Musikschaffen fernab aller Genregrenzen. Mensch freut sich bereits gespannt auf die nächste Ausgabe «Heile, heile Säge».

Sartorius