Es fehlt nicht an leerem Raum

Luzerner Theater, 16.05.2014; Jörg Dathe als Estragon schaut den Zuschauern bereits beim Einnehmen der Plätze zu – man wird erwartet. Oder ist es vielmehr so, dass Estragon schon immer da war und da bleiben wird? Dehnt er, auf Godot wartend, die Zeit zur (sinnlosen) Ewigkeit? Es ist nicht die Antwort, die Beckett geben will, und es ist nicht die Frage, worauf die Umsetzung in Luzern abzielt. Die Inszenierung (Andreas Herrmann) von «Warten auf Godot» bildet primär den Rahmen für eine bemerkenswerte, schauspielerische Zweierkiste, die von einer freundschaftlichen Rivalität angetrieben ist.

(Foto: Ingo Höhn)

Bekanntlich wartet Estragon nicht alleine auf Godot. Er wartet gemeinsam mit Wladimir (bestechend durch Christian Baus gemimt). Ja, in nuce lässt Samuel Beckett alle warten: Das Partizip im französischen Original und in der Setzung im Englischen trifft mit «En attendant Godot» respektive «Waiting for Godot» den Kern besser. Es ist denn auch viel weniger wichtig, auf wen man wartet, als wie und dass man wartet. Dies wohl besonders in einer Zeit, die on demand als Maxime propagiert und in der die wartende Haltung tief im Kurs steht. Der Clou an Becketts Stück besteht darin, dass er das Warten nur ex negativo zum Gegenstand macht: durch die Nichthandlung und die Nichtkommunikation auf der Bühne. In Luzern betont Andreas Herrmann keine Interpretation der Beckettschen' Bedeutungsmöglichkeiten: Die Aufführung bleibt nah am Text und ist auch sonst unaufgeregt inszeniert. Abgesehen von zwei kurzen Einspielungen von Geräuschen bleibt das Stück ausschliesslich beim gesprochenen Wort. Diese Umstände, unterstrichen durch die puristische Bühne (Max Wehberg), ermöglichen erst die stupenden Auftritte von Christian Baus und Jörg Dathe. In ihren angestaubten gräulichen Anzügen erinnern sie an den Typus eines Handlungsreisenden, der Friedrich Dürrenmatts Geschichten bevölkert. In diesem leeren Raum – im doppelten Sinne – ist es eine Freude, der tragisch-komischen Pseudo-Betriebsamkeit zuzusehen. Herrlich ulkig, wie Baus schwäbelnd einen Baum spielt. Beide Schauspieler  tragen in ihrer optimalen Ergänzung diesen Abend. Auch Andreas Herrmann als Lucky, der sich an diesem Abend in die Rolle eines Schauspielers begibt, und Samuel Zumbühl als Pozzo überzeugen. Ist es Personalmangel oder ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass Herrmann am Gängelband eines Schauspielers geht? Im Sinne von Beckett ist beides möglich und etwas Drittes wahrscheinlich.