Dieses Bern ist wirklich überall – 10 Jahre Barfood Poetry

Mit ganz, ganz viel Personal feierte das Erfolgskonzept Barfood Poetry am Donnerstag im La Fourmi sein 10-jähriges Bestehen. Es wurde gelacht und gesungen, vieles war gelungen, einiges weniger und gewisse Einlagen hätte man reduzieren dürfen.

Es begann mit Musik. Aeberli/Zahnd (aka The Mighty Joanies), zwei Frauen, die mit Gesang, Gitarre (seltener auch noch Bass) und Plattitüden arbeiten. Einen Song spielten sie am Anfang, und man dachte vielleicht noch: «Okay, ganz nett.» Es würde sich allerdings herausstellen, dass die beiden Damen jedes Mal zwischen den auftretenden Künstlerinnen und Künstlern zum Ton kommen würden. Eindeutig zu viel des Mässigen. Zweifelsfrei können die beiden singen. Aber es klingt einfach sehr nach Gesangsausbildung. Während sie sich selbst anscheinend unbedingt als gut gealterte Rockermädchen sehen wollen. Musikalisch war’s dann durchschnittlich, textlich teilweise peinlich und wirkte dabei auch noch eher unsympathisch. Ein Eindruck, der sich mit jedem weiteren Lied vertiefte. Nun hatten Aeberli/Zahnd also einen ersten Song zum Besten gegeben und es war noch nicht vorauszusehen, wie sehr man sich noch über die beiden ärgern würde.Toni Caradonna war auch da und gab den Moderator, hatte allerdings für meinen Geschmack leider zu wenig Bühnenzeit. Der war nämlich gewohnt toll. Die obligatorische Flugeinlage gab’s gleich zu Beginn, mit Helikopter. Danach übernahm Gabriel Vetter. Dessen Text über eine Klasse von Metzgerlehrlingen im Kunstmuseum setzte die Messlatte gleich höher als Pedro Lenz‘ Scheitel und sollte für mich der beste des Abends bleiben. Einfach grossartig, wie er da den Klassenbesten Gonzo und dessen Widersacher über Würste diskutieren lässt, dass noch die grössten Kunsthuren rot anlaufen würden. Nach erneutem Lied folgte das Kollektiv Bern ist überall, an diesem Abend zu viert: Pedro Lenz, Beat Sterchi, Guy Krneta und Adi Blum. Zu Akkordeontönen von Blum gab’s von den anderen humoristische Reime im Wechsel und wunderbare Kurzporträts. Lakonisch-bernerisch in Inhalt und Präsentation fand das sehr viel Anklang. Ihre besten Momente hatten die vier dann allerdings beim erneuten Auftritt in der zweiten Hälfte.

Aberli/Zahnd, dann kam mit Matto Kämpf gleich noch eine Portion Bern. Kämpf las 3 Texte, beziehungsweise 2 davon sang er. Das war alles sehr unterhaltsam, insbesondere die beiden Lieder. Schade nur, dass wer bei Kämpfs letztem Barfood-Auftritt mit Toast Hawaii und seiner Lesung in der Loge zusammen mit Simon Hari anwesend war, alles drei Texte schon kannte. Zum Auftritt in der Loge, und dem von dort bekannten umgetexteten «Blowin‘ in the Wind» schrieb ich damals, ich wäre froh jetzt zu wissen, wie viele Hunde man für einen glaubwürdigen Werwolffilm mieten müsse (die Antwort: mehr als fünf). Daher sage ich diesmal Folgendes: Ich bin froh, noch einmal daran erinnert geworden zu sein, wie viele Schweizergardisten man umbringen muss, um dem Papst eis chlöpfe zchönne. Die Antwort: Mehr als drei. Jedenfalls, Kämpf kommt immer gut, aber nächstes Mal was Neues oder Anderes wär schon toll. Apropos Recycling. Auch Caradonna – sei es Absicht gewesen, oder er habe nicht damit gerechnet, dass Leute beide Anlässe besuchen könnten, oder habe er es einfach verschwitzt – ist’s passiert. Das Autorenquiz gab’s leider beim Texttiegelfinale schon. Sollten Sie also in Zukunft einen Literaturanlass mit Caradonna als Moderator besuchen, und würden gerne einen Preis gewinnen (diesmal: Schläckstängel), die Antworten lauten: Max Frisch, Günni Grass, Federica de Cesco, Donna Leon (Verwechslung nicht ausgeschlossen) und Hansruedi Merz.

Die Reihe war dann an Fitzgerald & Rimini (aus Bern, übrigens). Die spielten zuerst noch einen eigenwilligen, aber durchaus charmanten Song mit Aeberli/Zahnd zusammen und hatten dann die Bühne für sich. Das lief dann so: Fitzgerald erzählte strube Geschichten, in denen die Figuren durchwegs spektakuläre Namen hatten, während Rimini Musik oder Geräusche machte. War alles in allem sehr schön, hatte persönlich nur leider einige Probleme, den Geschichten folgen zu können inmitten der Töne. Danach war es Zeit für eine Pause. Die zweite Hälfte würde leider das Niveau der ersten nicht halten können. Es gab zwar noch den sehr gelungenen zweiten Auftritt von Bern ist überall, sogar noch lakonischer als der erste. Danach folgte mit Jürg Halter, beziehungsweise Kutti MC (Rapper, beziehungsweise Poet) eine sehr grenzwertige Nummer. Es war zwar immerhin einigermassen selbstironisch, aber das Publikum belästigen und dazu billige Reime machen, naja. Ein Kommentar von C. W. aus dem Publikum, hinterher: Er (Jürg Halter/Kutti MC (Rapper/Poet)) habe aber schon die Fähigkeit, sich die richtigen Leute im Publikum auszusuchen. Dem kann man sich anschliessen. Jeder hätte den Kerl wohl nicht minutenlang auf dem eigenen Schoss geduldet. Fairerweise muss man auch zugestehen, dass die Nummer sehr viel Gelächter beim Publikum erzeugt hat. Mir hat es nicht gefallen. Entweder waren es die ewiggleichen Simpel-Reime (auf MC reimt sich jedes Wort, dass mit i endet, Herr Halter, bzw. Kutti) oder die anfangs dazwischengeschobenen, vermutlich ernst gemeinten Versuche von Tiefgründigkeit, die einfach ungenügend waren. So. Einen gab’s noch. Sandra Künzi, ebenfalls aus Bern. Man war geneigt, Stand-up-Comedy zu befürchten, nachdem Künzi jeden Text mit «Kennen sie das?» oder Ähnlichem einleitete. War es dann aber schon nicht. Es waren Texte, denen der Slam aus allen Poren triefte. Rein inhaltlich vermochten sie mässig zu überzeugen. Als Performance mit ganz viel Körpereinsatz (sich und das Publikum mit Schokopudding beschmieren – das ist doch Barfood) und mit gnadenloser Konsequenz zu Ende gebracht, hielten sie aber stand. Versuchen wir also ein Fazit. Es wurde viel gelacht und geblödelt. Es war ein fröhlicher Abend, wie es ein Jubiläum auch sein sollte. Stimmen aus dem Publikum, denen Texte fehlten, die etwas durchdachter sind, zum Denken anregen, blöd gesagt etwas mit intellektuellem Anspruch, kann man nachvollziehen. Aber an diesem Abend hätte das auch gar nicht funktioniert. 10 Jahre Barfood, herzlichen Glückwunsch. Und auch danke. Und beim nächsten Mal wollen wir wieder mehr gefordert werden.