Dieg Renzend Erku Nst / Dieg Renzen Desgut Enge Schmacks

Ein Quintett von stadtbekannten Künstlern hat sich in der Vitrine eingenistet und zeigt Bilder, Zeichnungen, Skulpturen, Assemblagen, Texte und Kompositionen. Definitiv genug Material für einen Rundumschlag innerhalb der Kunst.

Luzern, Donnerstag 23. Mai 2013, Kunstraum Vitrine: Wohl der einzige Kunstraum (okay, vielleicht noch die Minigalerie), wo die Chefin im Backoffice genüsslich Zigaretten rauchen kann. In die Vitrine kommt man entweder durch das Schaufenster, oder den Hintereingang. Unsereins wählte für diese Ausgabe den Hintereingang. Beuys hat es sich auf einem Sessel gemütlich gemacht. Besser gesagt, sein Antlitz schielt von einer Ausgabe von Der Spiegel aus dem Jahr 1979 (wer bewahrt sowas auf?) und fragt lakonisch: Der Grösste – Weltruhm für einen Scharlatan?

Max Christian Graeff (*1962 in Elberfeld, Deutschland, mittlerweile über zehn Jahren in Kriens/Luzern beheimatet) ist selbsternannter Kulturtagelöhner, sei es beim Theater, Verlegen, Schreiben, Proleten und so weiter, hat eine Erste Hilfe Installation eingerichtet, die neben dem notwendigen Arzneikoffer, leckere Konfitüren (nur 200 Stutz pro Glas, was für ein Schnäppchen!), eine seltsam geschliffene Büste und einige Tapetenversatzstücke beinhaltet. Um den vielleicht vorhandenen, tieferen Sinn zu ergründen, müsste man sich wohl mit dem Künstler auf eine längere Diskussion einlassen oder man zieht einfach weiter in der Ausstellung und lässt sich im Hauptraum von weiteren Arbeiten berieseln.

Gesamtansicht MC Graeffs Installation Erste Hilfe

Es gibt vieles zu entdecken. Boden und Wand sind prall gefüllt mit bunten Objekten und Malereien und sprengen den Raum in alle Richtungen. Zahlreiche Eimer auf Gummistiefeln wären ideal, um sich eine kurze Pause zu gönnen. Bemerkt man aber die clownesken Gesichtsauszüge, fragt man sich ob das wirklich eine gute Idee sei.

Theo Schärer (*1959 in Luzern) platziert seine witzig-ironischen Objekte prominent im Raum und zaubert auf jeden Fall ein freimütiges Lächeln hervor.

Der grösste Wandanteil in der Vitrine hat Davix (* 1966 in Luzern) mit Acryl auf Baumwolle. Knallige Neonfarben zieren das Jüngste seiner Werke, eine Mischtechnik mit Spachtel und Malerklebeband. Man neigt beinahe dazu, ihn als den ‚normalsten‘ der fünf Aussteller zu bezeichnen, wird man bei Davix Bildern doch an einige Grundgedanken der bildenden Kunst erinnert. Acryl auf Leinwand, anstatt eine Tausendsassa-Improvisationstechnik, brav dort aufgehängt wo man sie erwartet und ohne grosse inhaltliche Brisanz aufgeladen. Fast schon ein wohltuender Gegenpol zu den irrwitzigen Arbeiten der anderen.

MC Graeff und die Schärer-Brüder sind Matrosen des Marinemuseums Luzern und bekannt für Ausstellungen, die ein spannungsvolle Gratwanderung zwischen Kunst und Trash bewerkstelligen. Subtile Eingriffe in komplexe System oder komplexe Eingriffe in subtile System sind ihre Markenzeichen und stossen den Besucher immer wieder vor den Kopf.

Niklaus Schärer (*1958 in Luzern) zeigt Malereien und Objekte die nur schon durch ihre Existenz Verwunderung auslösen.

Noch penetranter ist dieses Phänomen bei den Arbeiten von Ralph Michael Erich Streuf (*1950 in Streufdorf, Deutschland), der im zarten Alter von 32 Jahren die Frikadellenlimonade erfunden hat und heutzutage ein unbequemes Kissen, ein Eichhorn mit Äpfeln und einen Lindwurm namens Lenin unter die Leute bringen möchte. Übrigens, für den Preis vom Leninwurm bekommt man 680 Eichhörnchen und 4857 Äpfel. Je nachdem, was man lieber mag.

Dann geht’s los: Graeff schreit einmal kräftig in die Runde, es wird halbwegs still und wir bekommen Besuch von einer Dame im Rollstuhl. Der Besuch der alten Dame entpuppt sich als Schauspieleinlage von Juliane Lang, Ensemblemitglied des Luzerner Theaters und ausgestattet mit einer grossen Portion Mut zur Hässlichkeit gepaart mit misanthropischem Griesgram. Eine Wurstkette um den Hals, eine Cervelat im Schoss, ein Kleid, das sowieso an Presswurst erinnert und die älteste Perücke auf dem Kopf, rezitiert die Dame mit vollem Mund wirres (oder intelligentes?) Zeug über die menschlichen Abgründe und Alkoholismus (und ziemlich viel anderes) und scheut nicht davor zurück, die Vernissagebesucher sogleich in die Pflicht zu nehmen. Die fünfköpfige Künstlergruppe singt zusammen mit der alten Dame noch ein kurzes Medley, bevor diese aufsteht, sich auszieht und an der Wurst erstickt. Theatralischer geht’s kaum nimmer. Wurst wieder Wurst. Anfang und Ende.

Die Ausstellung «Anfang und Ende» ist noch bis zur Finissage am 30. Juni im Kunstraum Vitrine zu sehen. Danach wird die Ausstellung als Schaufensterinstallation umgebaut und ziert die Räume der Vitrine während der Sommerpause bis zum 11. August. Am Samstag 8. Juni spielt Sam Pirelli seine berühmt-berüchtigte Psycho Radio Show. Offen ist es immer am DO 14-21 Uhr, FR 15-19 Uhr und am SO von 14-18 Uhr