Die Ruhe und der Sturm

Neubad, Luzern, 13.02.2020: Das Berner Quintett BLAER ist mit seinem neuen Album «Yellow» auf Release-Tour. Reduzierter Jazz, der trügerisch simpel wirkt, dabei melancholisch und optimistisch zugleich ist.

 

Gnadenlos zieht der Sturm Tomris an diesem Donnerstag über Luzern. Es ist so grau und nass an diesem Abend, dass sich wohl viele nach Wärmerem sehnen: warm, Sonne, Heiterkeit, Gelb. Ja, Gelb wäre gut. Und Gelb wird im Pool des Neubads geboten. Ein sturmgeplagtes Publikum begibt sich in das (ironischerweise) trockene und vom Wetter geschützte Schwimmbecken, um in dieser garstigen Nacht noch ein wenig Klangfarbe abzubekommen.

Mit Instrumenten malt das Berner Quintett BLAER, das sein neustes Album «Yellow» vorstellt. Für die 2012 gegründete Band um die Pianistin Maja Nydegger ist es nach dem selbstbetitelten Erstlingswerk und dem 2017 erschienen «Out Of Silence» bereits die dritte Veröffentlichung. Neben Nydegger, die neben dem Piano auch für die Kompositionen verantwortlich ist, sind Nils Fischer (Altsaxophon, Bassklarinette), Claudio von Arx (Tenorsaxophon), Simon Iten (Kontrabass) und Philippe Ducommun (Schlagzeug) die nicht minder wichtigen Bestandteile von BLAER.

BLAER

So ist das reibungslose Zusammenspiel der fünf Musizierenden etwas vom Ersten, was auffällt. Routiniert und souverän gleitet das Quintett in seinen Klangwelten umher. Jeder Ton sitzt, jede Verzögerung, jedes Stocken entfaltet seine volle Kraft. BLAER spielt Jazz, der vielleicht nicht auf den kleinsten aber auf einen kleinen gemeinsamen Nenner reduziert wird. Diese Reduktion lässt das Ganze erst richtig erstrahlen – ohne dass es sich dabei um einen minimalistischen Jazz ohne viel Bewegung handelt. Dazu kommt noch etwas Pop, Noise und Minimal Music. Was BLAER tut, ist aus scheinbar simplen Elementen Komplexes zu erschaffen. Melancholisch, aber auch optimistisch.

Im Zentrum stehen dabei fast immer repetitive Motive, die auf Nydeggers Piano entstehen. Es sind trügerisch simple Töne, die den Anker für die übrigen vier Musiker bilden. Kaum hat man sich auf diese Prämisse eingelassen findet man sich in einer dichten Klangwelt wieder. Nydegger sitzt auf der Bühne physisch zwar am Rand, abseits des ausgebreiteten Teppichs, ist aber musikalisch der Mittelpunkt, um den die Klänge der anderen Bandmitglieder ihre Ellipsen ziehen. Dabei wird nie mit der Integrität des jeweiligen Stücks gespielt. Die Musiker haben eine absolute Kontrolle über die Melodien, bleiben diszipliniert, sind nie zu verspielt, verlassen nur selten ihre Umlaufbahnen. Das lässt die Zuhörenden völlig abtauchen und schwelgen, nur um dann trotzdem von einer Wendung überrascht zu werden, die aufsitzen lässt.

Besonders hervorzuheben ist das Stück «Arktis», welches, wie Nydegger erläutert, von einer Greenpeace-Werbung inspiriert ist, die sie zu diesem Lied weitergesponnen habe. Wie gewohnt beginnt es mit einer eingängigen Klaviermelodie. Aber anders als bei den vorgängigen Stücken stimmt Iten nicht mit dem Kontrabass ein, sondern spielt mit Effekten, was dem Song sofort eine wunderbar irritierende Note verleiht. Man fühlt sich ein wenig an Trent Reznor erinnert. Ein Gefühl, das von Ducommuns Schlagzeug noch weiter verstärkt wird. Bedrohlich schwillt der Song an, bis die Effekte ganz übernehmen und die Wände des Neubads zu beben beginnen. Völlig ausgeliefert ist man dieser Kältewüste, bis die Melodien wieder aufgenommen werden, die beiden Bläser wieder einsteigen und man mit BLAER einen Aufstieg zu optimistischeren Gefilden erlebt.

Nur draussen peitscht der Wind noch immer durch die Strassen und eine schaukelnde Strassenlampe wirft ihr erratisches Licht an die grossen Fenster des Hallenbades. Aber noch ist das Publikum drinnen und darf eine Zeit lang von der Band an bessere Orte getragen werden.