Cypher 41

SRF Studio Brunnenhof Zürich, 29.01.2015: In der Bounce Cypher von SRF Virus gabs sechs Stunden Live-Rap und -DJing für Ohr und Aug. Jedes Epizentrum der helvetischen Hip-Hop-Landschaft konnte eine Stunde füllen. Zu Besuch bei der Innerschweizer Präsenz.

Die Schiebetür geht auf und zu, draussen auf dem Parkplatz mehrere Grüppchen, bereits ist es dunkel, die Luzerner sind für die letzte Stunde eingeplant. Es geht direkt in einen bestuhlten Saal, der YouTube-Livestream flimmert im Grossformat, das Buffet ist bis auf ein paar Häufchen Bohnen- und Humuspaste leergefegt, der Geruch des Gegessenen liegt noch in der Luft. An einer Pinnwand können die Rapper Beats wählen, falls sie keine eigenen mitgebracht haben. Auf der Bühne ein barocker Thron mit Showbiz-Equipment im Hintergrund, Oliver Baer, der fotographische Begleiter des Abends, lichtet hier die King-Posen ab. Mauro, der einst die 3fach-Reimstunde moderierte, ist sichtlich erschöpft, als ich ihn grüsse. Doch auch sehr glücklich. Die Ansage von 80 MC's habe sich als Untertreibung herausgestellt, und grossen Respekt verdienten die Repräsentanten aus Genf, welche für ein paar Minuten am Mik sechs Stunden Reise in Kauf nahmen. Jetzt ist es Zeit: durchs Hintertürchen gelangen wir ins Studio, es füllt sich mit Leuchtenstadt-Figuren, während die letzten Berner ihre Lines droppen, die Temperatur steigt. Schon länger hinter den Turntables sind die Luzerner DJ's Luk LeChuck und Mitch Cuts.

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Den Anfang macht LCone, frisch und frech eröffnet er die 041-Stunde, ein Ausrufezeichen am Anfang nach spanischer Art. Bereits gibt er Reizworte vor, die wiederkehren werden: Geri Müller (mit dem massivsten rollenden «R» des Abends), Anja Zeidler, Princesse Club. Auch ein Bezug auf das «Bonker Inferno 3», das er gewonnen hat, bleibt nicht aus: «LCone represented 041 of sini Art.» (Sein Battle-Gegner Cynic disste ihn damals mit dieser Aussage, im neuen Kontext ist sie ins Positive gekehrt.) Nach Marash & Dave sowie Mimiks folgt der Churer Ali, einziger Vertreter aus Graubünden heute, aber musikalisch und menschlich bestens integriert in die Luzerner Clique: «CH-Rap esch froh dass mini Muatr iigwandred esch.» Dagegen musste aus Zeitgründen der VBT-Gewinner Visu seinen Auftritt in die Basler Stunde vorverlegen. Die Wechsel zwischen den Rappern sind oft nahtlos, das Programm ist gedrängt, ganz viel Talent will sich an die Sprechanlage drängen, Ansagen gibt es kaum, vor allem keine ausgedehnten. Wenn es aber heisst «Achdong Achdong de Luzid chond», ist es ein Momentchen gebannt still im Raum. Vielleicht haben manche in seinem Umfeld eine souveränere Artikulation, mehr Taktgefühl, sicherere Hochgeschwindigkeitsparts (sog. Doubletimes) und eine höhere Dichte an Schenkelklopfer-Zeilen (sog. Punchlines). Doch Luzi tritt mit einer verbalen und intellektuellen Farbpalette an, die dafür sorgt, dass seine Präsenz einzigartig ist wie die Hosen in seinen Socken.

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Stilwechsel: EffE steigt mit dem Instrumental von DJ Ötzis «Ein Stern» ein, dazu «Fegg de Cypher ech be cho zom ässe!» Danach wird er etwas konventioneller, und sagt «Fuck Mimiks», falls er mal seine Vorband sein sollte (Mimiks sagte in der Bounce Cypher vor einem Jahr «Fegt Stress», nun ist er sein Support-Act.) Zusammen mit Eliel bringt EffE einen Part, in dem sich die beiden zeilen- oder gar wortweise abwechseln, womit in der 2013/14-Cypher Mimiks und Dave herausstachen. Der Freestyle-Battle-Schweizermeister Acid-T aus Emmenbrücke übernimmt und performt mit nadelöhrschmalen Augenlidern "Classic Rapshit", wie er im Chorus wiederholt. Acid-T nahm zusammen mit dem Luzerner MC Exist Laze auch in der Freestyle-Stunde am früheren Abend teil. Mit dem Auftritt von Melo wird daran erinnert, dass die Acts der jeweiligen Stunden keine homogenen Blöcke bilden: «Du weisch genau Rap esch Competition.» (und sei es nur eine rituelle). Also sagt er: «Au wenn d'Elite mech ned backt. Sit em Bonker gäbeds zue, si hend de Melo onderschetzt.» Strophe für Strophe steigert er sich und unterstreicht diese Aussage.

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Für Anwesenheit aus Zug City sorgt Weibello, ebenfalls ein Freestyle-Battle-Schweizermeister. Dass sich Freestyler intensiv mit den Produktionsbedingungen ihrer Sprache hinsichtlich des Reimens auseinandersetzen müssen, beweist er damit, dass er 37-mal das Vokalschema a-a-ei-e binnen- und endreimt. Zurecht kommentiert Moderator Pablo danach, dass es schön ist, mal etwas Geschriebenes von den Freestylern zu hören. Inzwischen hat sich «Ü30-Rapper» Emm seines Blazers, Edelstoff-Schaals und blauen Hemds entledigt, um im weissen Unterhemd seine Zeilen zu bringen. Den Abschluss für Luzern machen die Moderatoren Mauro und Pablo. Bald darauf sitzt ein Teil der 041-Szene im Tram 11 zum Hauptbahnhof, Dave löst auf seinem Smartphone Tickets für alle, da es knapp wird. Mimiks heizt für den Spurt an. Brudilove macht stark.

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