Am Grunde des Rauschens

Neubad Luzern, 25.11.2016: Sie brechen das Grundrauschen, wie Piloten die Schallmauer durchbrechen. J&L Defer sind experimentelle Musik der Zukunft. Ein Versuch, über gitarristische Perfektion zu schreiben.

Der bluesige Growler «Nowhere» macht den Anfang. Ein slower und irgendwie doch rassiger L.A.-Stoner-Song, der mit dem Neubad-Keller auf den idealen Resonanzkörper trifft. Yes, die rocken ab Sekunde eins. Bei J&L Defer spielt aber das einzelne Stück keine Rolle mehr. Der Sog ihrer beiden Gitarren ist ein Grundrauschen, das in den stillen Momenten nachhallt. Bei ihren wortkargen Ansagen spürt man diesen Sog immer noch und wartet auf den nächsten Trip.

Das Rezept von experimenteller Musik ist meist dasselbe: Aus einem Klangteppich – unsägliches Wort, ich weiss – entstehen einzelne wunderschöne musikalische Momente. Bei J&L Defer ist es umgekehrt: Die wunderschönen musikalischen Momente sind immer schon da, das Grundrauschen wird ab dem ersten Gitarrengriff gleichzeitig beschworen und durchbrochen. Sind experimentelle Musik und teleologische Entwicklung ein Widerspruch? Ich weiss es nicht. Aber die beiden Zürcher sind bereits am Ziel angelangt mit ihrer perfektionierten Schichtung von Gitarren.

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J&L Defer sind Anita Ruefer und Gabriele de Mario. Beides Mitgründer der legendären Schweizer Rockband Disco Doom. Benedikt Sartorius im Tagi: «Sie müssten eigentlich regelmässig als beste Rockband der Schweiz gepriesen werden.» J&L Defer indes klingen (und sehen ein bisschen aus) wie The Kills ohne Schlagzeug und ohne Pop.

Im Laufe ihres Sets wird's experimenteller, der Zugang schwindet dann und wann. Die mittels Drummachines eingespielten, minimalistischen Beats bringen die Beine wieder zurück, wenn die Ohren abschweifen. Verzerrter geht's nimmer. Die Gitarrenschränzereien von Rufer und de Mario werden mit etlichen Effektgeräten verzerrt, Overdrive, Feedback, Gomorra! Die «Bilder» im Artikel zeugen von der diffus-verrauchten Stimmung im Neubad-Keller. Es war alles irgendwie verzerrt. Und was ist das nun? Experimental? Prog Rock? Guitar Pop? Scheiss auf Genres. Das war grandios.