Wo das Pferdegulasch zum Leben erweckt wird

Peperoncini Bar, 02.05.2014: Dort, wo Kuckucksuhren sich in Wandkalender verlieben, Menschen die Gestalt von Pferden annehmen und Buchstaben die Kontingente der Buchstabenpersonenfreizügigkeit zu spüren bekommen, führen Thalmann & Joss das Publikum in die Skurrilität, die hin und wieder im Obskuren endet.

Gesetz und Wirklichkeit gibt es bei Thalmann & Joss nicht. Sie suchen gerade das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen, das Unsichtbare im Sichtbaren der alltäglichen Dinge. Scheinbar zufällig beobachtete Alltagsabläufe werden analysiert, mit eigenen Ideen durchsetzt und schliesslich in einem offenen Theaterformat auf die Bühne gebracht. Musik und Sprechakt wechseln sich dabei ab, um sich sogleich wieder zu durchdringen. Als essentieller Bestandteil begleitet und führt die Sprache das Publikum durch die gesamte Performance. Geschichten werden vorgetragen, die vom Leid der Lebensmittel im Kühlschrank erzählen, bevor sie im Eintopf ein neues Dasein finden. Von verliebten Wandkalendern, die das Schmälern des Body-mass-index durch das tägliche Abreissen der Zettel als Liebesschmerz zur gegenüber hängenden Kuckucksuhr interpretieren. Und von wütenden Rolltreppen, die es satt haben, immer nach unten zu führen. Thematisch an diesen narratologischen Szenen sind der begleitende Reim sowie die Umwandlung zu ähnlich klingenden Wörtern, die sich in einem sprachlichen Laut unterscheiden. Die Rolltreppe wird so zur Groll– und Schmolltreppe. Herr Joss vorübergehend zu einem Ross. Der spielerische Umgang mit der Sprache belebt, ufert aber dann ins Infantile aus, wenn Sandmannslieder gesungen und Gutenachtgeschichten rezitiert werden. So sind einzelne Darbietungen wenig spontan und wenig natürlich. Regelmässig wird das Publikum in die Vorstellung miteinbezogen, so dass eine gewisse Nähe und Verbundenheit entsteht. Kuchenstücke werden an die Zuschauer verteilt und  gemeinsam Refrains gesungen. Die Idee dahinter ist wohl durchdacht, auch wenn es zeitweise an Nuancen fehlt. Hin und wieder verliert sich das Publikum in einem Meer an sprachlichen Ausdrücken, die erst geordnet werden müssen, um überhaupt verstanden zu werden. Doch dazu reicht die Zeit kaum, so dass Joss mit folgender Bemerkung intervenieren muss: «Das Publikum macht etwas karierte Gesichter, vielleicht gefällt ihm die folgende Performance besser». Und unerwartet finden sich die Zuschauer aus dem einen Kontext gerissen und in den nächsten versetzt. Eigentümlichen Charakter erhält das Stück an dem Punkt, wo die Zuschauer aufgefordert werden, in einen roten Socken zu gähnen um so die Forschung der „Gähnetik“ voranzutreiben. Die gesammelten Gähngeräusche werden schliesslich im Socken eingeschlossen und für die Speisung an die CKW verwendet. Dass Joss bei der einleitenden Erklärung beinahe einschläft, scheint Thalmann wenig zu interessieren und so fährt dieser vergnügt mit seiner Wortakrobatik fort. Dem Publikum scheints zu gefallen, der Funke des Grotesken übergesprungen zu sein.  

Künftige Veranstaltungen von Thalmann & Joss finden sich laufend auf ihrer Homepage: http://www.thalmannundjoss.ch/