Willisau zum Ersten

Der historische Moment. Eine neue Zeitrechnung beginnt. Und arithmetisch gewagt, heisst es: Das 36. ist das 1. Nämlich: Das Jazzfestival Willisau geht nach 35 Jahren der Ära Niklaus Knox Troxler unter der Leitung von Neffe Arno Troxler weiter. Gestern Mittwoch war Auftakt. Schon mal vielversprechend und hoffnungsvoll.

Grosse Worte sind da nicht. Schlicht, sec, tritt Arno Troxler um 20.07 Uhr auf die Bühne der Festhalle Willisau: «Es freut mich sehr, dass das 36. Jazzfestival Willisau mit  dem Mary Halvorson Trio anfängt.» Und schon fängt es an mit Gitarrenmusik. Später wird es garantiert gitarrenfrei werden. Es ist Sitzgitarrenmusik, die die eher schmächtige US-amerikanische Gitarristin (28, Bild oben) mit ihren zwei Begleitern John Hebert (Kontrabass) und Ches Smith (Drums) spielt, wo es bisweilen mächtig losgehen kann, wenn verzerrte Brachialakkordik zum Einsatz kommt, dann wieder kann es lyrisch-melodiös in Läufen, aber doch hart angeschlagen tönen. Ein dynamisches Set heutiger Jazzgitarrenmusik, laut Programm gar «die Zukunft der Jazzgitarre». Was ist neu in Willisau? Das Programmliche mögen die Experten analysieren und bewerten. Augenfällig das Optische in der visuell nun mal eher durchschnittlich nüchternen Halle: Der Bühnenprospekt zeigt sich als wandelbares Deko mit sieben (später fünf) schmalen Quadern, die ornamental mit Punkt- beziehungsweise Strichmustern daherkommen, schwarz auf weiss, und wenn Farbe drauf leuchtet, siehts unspektakulär schön aus.

Neu natürlich die Öffnung dank Arnos weitem geschmacklich-stilistischem Horizont. So zum Beispiel: Late Spot, präsentiert von B-Sides (dem anderen besten Festival), bringt  jeweils um Mitternacht die Lausanner Honey For Petzi (Freitag) und Kutti MC & One Shot Orchestra (Samstag). Man kommt auch ohne PW noch um 2 Uhr früh per Shuttle heim in die Stadt (die heimische Dorfjugend hat hier den Vorteil, schon vor Ort zu sein).
 
 
Der Eröffnungsabend ist gleich ein «Damenabend». Was als Zweites beim ersten Jazzfestival Willisau der Zeitrechnung Arno Troxler kommt, sind die umwerfenden Phall Fatale. Das Bandnamenwortspiel mag einigen chauvinistisch erscheinen, sei's drum. Hier machen in aussergewöhnlichster Besetzung fünf überaus spannende Musik jenseits der Stiletiketten. Als da wären: Der nach wie vor äusserst frische Oldie (gerade auch in Willisau) Fredy Studer sitzt an den Drums, flankiert von den beiden Kontrabassisten Daniel Sailer (GR) und John Edwards (GB), und dann natürlich die beiden Fatalen Joana Aderi und Joy Frempong, beidemale Vocals und Electronics. Eine Freude, wenn es mit kratzigen Kontrabässen anfangen kann, mit einem a-cappella-Zwischenspiel-Duett, um immer treibender und – sagt man das noch? – grooviger zu werden. Ein Stück haben wir erkannt, am Text. Es ist «Desolation Row» von Bob Dylan. Gelungen, geglückt der Auftakt. Es geht gleich weiter. Bis Sonntag. Das Hinterland ist eine Reise wert.
 
Bis Sonntag, 29. August, www.jazzfestivalwillisau.ch