Wenn der Sensenmann zweimal klingelt

Schüür, Luzern, 16.02.2018: Mit dem «End Of Those Days Festival» wird in der Schüür das Ende der Fasnacht gefeiert, oder mehr noch die Freude zelebriert, dass es endlich wieder Konzerte in der Stadt gibt. Hierzu kommen die beiden Bands Intoxica und The Dead Brothers, die einerseits dem Winter an den Kragen gehen und andererseits dem Publikum.

Die Fasnacht ist tot. Zumindest für ein weiteres Jahr. Sie wurde zu Tode gefeiert. Für viele eine wahre Erleichterung, für andere eine schmerzhafte Trennung. Der Winter hätte vertrieben werden sollen, aber wie zum Trotz hält er sich mit seinen schneeweissen Händen noch in den Ecken der Stadt fest. Vielleicht war man zu betrunken, um ihm endgültig den Garaus zu machen.

Auf jeden Fall sind die närrischen Tage vorbei und endlich gehen die Konzerte in der Stadt weiter. Die Schüür feiert dies mit dem «End Of Those Days Festival», das am Donnerstag begonnen hat und heute, Freitag, sein eigenes Ende findet.

Intoxica

Die aus dem Sedel bekannte Band Intoxica macht hierbei den Auftakt. Im Zentrum steht ihr im November erschienenes Album «Hana Hou» (wir berichteten von der Plattentaufe hier).

Sofort bringen die vier Musiker das Publikum dazu, die Hüften mitschwingen zu lassen. Mit ihrem 60-ies-Surf-Soul-Sound ist es auch schwierig, zu widerstehen. Der unerbittliche Gitarren-Twang von Smokin' Slim (alias Sam Pirelli) ist dabei richtungsweisend für den Vibe.

Mai-Ling (alias Emel Ilter) beeindruckt mit einer grossen Stimme, mit der sie das ganze EG der Schüür auszufüllen vermag.

Intoxica lässt an Wüsten denken. Die Band strahlt eine Wärme aus, und manchmal ertappt man sich dabei, wie man sich den Wüstenwind im Gesicht vorstellt. Der Winter ist vergessen.

DeadBrothers

Wenn Intoxica dem Winter an den Kragen geht, so will die nächste Band noch viel mehr. Sie will das ganze Publikum.

Ein Harmonium spielt eine langsame Melodie und eröffnet das Konzert der Dead Brothers. Gemächlich gehen die Musiker auf die Bühne. Der Kopf der Band, Alain Croubalian (voc, g, banjo), steht mit einem Glas in der Hand noch einen Moment lang vor der Bühne, fordert die Anwesenden dazu auf, näher zu treten.

The Dead Brothers («and Sister») aus Genf spielen einen einzigartigen Sound. Ihr neues Album «Angst» ist diesen Monat erschienen und vielleicht an diesem Abend auch ganz neu erhältlich. Es ist Funeral-Blues, Zigeunermusik, Folk und vieles mehr. Aber diese Band muss nicht in ein Genre gezwängt werden, wenn das Gesamtbild so perfekt stimmt.

Immer wechseln die sechs Musiker ihre Instrumente und Klanglandschaften. Man hört Gitarren, Banjos, Pauken, eine Tuba, Violinen, Mandolinen, eine Halszither, elektrisches Piano. Aber im Zentrum steht meist Croubalian, der weiss, wie er das Publikum in den Bann ziehen kann. Neben seiner Stimme, die mal rauchig und tief ist, und dann klar und irgendwie zerbrechlich, spielt er auch mit seiner Mimik sowie Gestik. Diese Lieder werden wirklich gelebt.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, einer Truppe fahrender Musiker zuzuhören, die, gefolgt von langen Schatten, aus dem Nichts aufgetaucht sind und dunkle Geschichten erzählen. Vom Leben, von der Liebe, vom Tod. Es ist nicht immer alles lustig, merkt Croubalian etwa in der Hälfte des Konzertes an. Das Publikum lacht darüber. Aus Verzweiflung?

DeadBrothers2

Zum Abschluss des Konzertes machen die Dead Brothers etwas, was nur äusserst selten erlebt werden kann. Sie steigen hinab in die Menge und wie der Rattenfänger von Hammeln bahnen sie sich einen Weg nach Draussen in den Schüürgarten; das Publikum folgt ihnen willig.

Draussen schart man sich um das Lagerfeuer und lässt sich vom akustischen Encore völlig hypnotisieren. Es ist ein magischer Moment, als all diese Menschen draussen stehen, lächelnd und begeistert vom dargebotenen Spiel, zu kostbar, um es zu fotografieren.

Es scheint niemand zu frieren. Das Feuer, die frische Luft, die Musiker umstellt von Menschen, die sie fasziniert betrachten, all diese Dinge geben dem Ganzen ein Gefühl der Verbundenheit, als ob ein oftmals verdrängtes Urbedürfnis damit befriedigt wird. Was diese Band hier vollbringt, ist der beste Beweis dafür, dass ein Konzert so viel mehr ist als nur Musik. Es ist ein Erlebnis. Man fühlt sich als Teil von etwas Grösserem. Croubalian zieht die Leute mit, strickt sie in die letzten Songs ein, die an diesem Abend gespielt werden. Man wünscht sich, es würde nie aufhören. Aber erst die Flüchtigkeit des Augenblicks macht ihn überhaupt wertvoll. Auch er muss sterben.