«Wenn das jeder machen würde?»

Kleintheater Luzern, Samstag, 12. Mai 2012. Der Kabarettist Simon Enzler ist das Sprachrohr des kleinen Bürgers, gnadenlos, zynisch und ein wenig stur. Sein Erfolgsrezept: Er nennt Probleme beim Namen und fasst auch politisch heisse Eisen an. Auf Kompromisse lässt er sich nicht ein. Auch nicht in Begleitung des Bassisten Daniel Ziegler. Simon Enzler mit seinem neuen Programm «vestolis» im Kleintheater Luzern.

(Von Simon Meienberg)

Ob russischer Investor, Bundesrat oder Rentner: Nichts und niemand bleibt vor ihm verschont. Simon Enzler versetzte das Publikum mit seinem neuen Programm «Vestolis» zeitweise in Atemnot. «Er hat als Appenzeller soziologisch bedingt Saft im Ranzen und ein gerüttelt Mass an Sturheit.» So stehts hier. So kennen ihn seine Fans. Das jüngste Programm von Simon Enzler kommt beim Publikum gut an. Denn die Argumente des Kabarettisten haben Hand und Fuss. Mit seinen Parodien bleibt er dicht am Geschehen und verliert nie den Bezug zur Realität. Enzler parodiert gekonnt durch die Untiefen der Politik und wagt einen Blick in die Abgründe des Einzelnen. Nicht selten hält er dem Publikum den Spiegel vor, man fühlt sich plötzlich ertappt und überspielt die Peinlichkeit mit viel Gelächter. Zu Beginn imitiert Enzler ein Telefongespräch zwischen einem Gemeindepräsidenten und einem russischen Investor. Mit der Zeit schält sich aus den Gesprächsfetzen der Anlass des Gespräches heraus. Der Gemeindepräsident erschmeichelt sich die Gunst des Reichen, um einen Batzen für sich selbst abzuzweigen. «Ja, ja, der Ferrari läuft wie auf Schienen …» Und Russisch habe man an Stelle des Französischen als Pflichtfach eingeführt. Auch Bundesrat Ueli Maurer bekommt sein Fett weg. So präsentiert  Enzler die Lösung zur Überbrückung des Kampfjet-Mangels: Der schweizerische Luftraum soll bis zum Eintreffen der «Gripen-Jets» mit Brieftauben gesichert werden, die ausgerüstet mit alten 1.-August-Raketen, von der Vogelwarte Sempach zu Minenwerfern und Kamikaze-Tauben umgeschult werden. Dann mokiert er sich über die Verfasser von Leserbriefen. Man sollte die Pensionierung auf 95 Jahre ansetzen, fordert Enzler. Nur zu gern spielten Rentner den Moralapostel und imitieren den Pfau, in dem sie ein prächtig geschmücktes Beschwerdenbrieflein mit rhetorischen Fragen spicken. «Ja kann es denn sein? Wenn das jeder machen würde?» Und einer schrieb tatsächlich an die Rhätische Bahn, «Wo kämen wir da hin?» Ist die Antwort nicht offensichtlich? Nach Engelberg, Hergiswil, Stans... Der Titel des Programms, wirft trotzdem Fragen auf. Die Antworten finden wir auf der Website von Simon Enzler: «Der Programmtitel vestolis beschreibt die Art und Weise, wie man handelt. Hinter vorgehaltener Hand wird fast alles möglich: Stillschweigende Aktienmehrheiten, kuriose Geschäfte, ja sogar die Beichte wird einem undercover abgenommen, sofern man denn noch katholisch genug ist, etwas verbrochen zu haben.»

Alle drei Auftritte im Kleintheater ausverkauft. Simon Enzler und Daniel Ziegler kommen im Mai 2013 wieder nach Luzern.