Viel Nichts um Nichts

Neubad Luzern, 10.05.2016: Ich sehe etwas nicht, was du auch nicht siehst: Die inhaltliche Gestaltung der Salle Modulable. Heute der langersehnte «Neubad-Talk» zur SM im Neubad. Keine Angst, Sie haben nichts verpasst: Es wurde viel geredet und doch nicht viel gesagt. Von einem, der Heinrich Weingartner heisst, aber lieber anonym geschrieben hätte.

Heute Abend ginge es nun eeendlich um die wichtigsten aller wichtigen Fragen, lässt die Moderatorin Gisela Widmer zu Beginn verlauten: «Was ist der Sinn des Lebens?» Nei, seich. Aber man hat das Gefühl, etwas Grossem beizuwohnen, wenn man sich die Besucherinnen und Besucher des heutigen Neubad-Talks so ansieht: Annette von Goumoëns, Patric Gehrig, Ursula Hildebrand, Stefan Sägesser, Livio Andreina – you name them!

Alle sind sie hier, Menschen, die es etwas angeht und angehen sollte. Erfreulich ist auch, dass der Pool beim heutigen Neubad-Talk gefüllt ist mit vielen Bekannten und Unbekannten. Luzern diskutiert. Schön so. Die tatsächliche Talk-Frage: «Was bringt die Salle Modulable der Stadt Luzern?» Gegenfrage: Was bringt eine Talk-Frage, wenn sie nicht beantwortet wird? Und kommen Sie mir jetzt nicht mit «Luzern wird Theaterstadt». Luzern wird gar nichts, wenn die inhaltliche Vision so bleibt, wie sie jetzt ist. Nämlich inexistent. Jemand der Talk-Gäste sagt einmal am Abend: «Die Zukunft der Salle Modulable ist schwarz.» Das war leider ein Freud’scher, man meinte eigentlich «weiss» bzw. «ein unbeschriebenes Blatt». Hat aber doch das Richtige gesagt.

Aufgepasst: Auch wenn man den Freud’schen weglässt, sieht’s für den Inhalt der Theaterszene nicht besser aus. Ich dachte, man weiss, wohin man die Millionen steckt? Nicht so schön so. Zuerst Vorstellrunde. Der zukünftige Intendant des Salle-Luzerner-Modulable-Theaters Benedikt von Peter ist dran und erzählt seine Lebensgeschichte. Gisela Widmers Telefon vibriert. Gelächter. Irgendwann nach 30 Minuten meint Benedikt von Peter: «Alle Probleme können mit der Kunst gelöst werden.» Aha. Ich glaube nicht, dass der bis zum letzten Parkbänkli verschuldete Kanton Luzern mit einer Aufführung von «Schwanenplatzsee» ans sichere Ufer gerettet werden kann. Sind Sie etwa ein Idealist, Herr von Peter? Der zukünftige Theaterintendant meint etwas später auf die Frage, weshalb nicht mehr auf die Bedürfnisse der Stadt und deren Bewohner eingegangen würde, die 80 Engelhorn-Millionen seien eine delikate Angelegenheit, es sässen auch Leute von «Amerika» im Prozess (Uuuuuh, Amerika. Ist das nicht dieser ferne Kontinent, in dessen oberem Teil gerade ein Clown mit Toupet 9/11 mit 7-Eleven verwechselt?).

Deshalb müsse man sich auch ganz brav und leise verhalten. Nein, Sie sind kein Idealist, Herr von Peter. Sympathisch ist allerdings die Tatsache, dass Sie die regionale Stossrichtung des Hauses hochhalten. Aber weshalb werden Machbarkeits-, Finanzierungs- und Architekturabklärungen von ausländischen Firmen durchgeführt? Ah ja, good (very) old Mr. Engelhorn. Irgendwann schweife ich ab und höre im Hintergrund ein Grundrauschen von Grössenwahn, Verblendung und kommwirhabendasgeldmachenwirdasjetzteinfach. Ich stelle mir den Pool mit Wasser gefüllt vor, jetzt gleich. Hihihi. Plötzlich, aus dem Nichts, wer ächt, unser Christoph Fellmann, heute als Talk-Gast dabei! Wo bleibe der Kulturkompromiss, zu wenig niederschwellige Räume in der Stadt Luzern, Hallelujah, jetzt geht’s los! Zwei Minuten später: Grundrauschen. Schade. Dort läge der Hase im Pfeffer! 45 Minuten reichen leider nur für die Vorstellrunde und ein paar Lacher. Einmal wird’s noch interessant an dem Abend: Dominic Chenaux, Betriebsleiter des Neubad, prangert erneut die fehlende Partizipation von Kulturschaffenden an, die durch den «altmodischen, geschlossenen Prozess» des TWL verunmöglicht würde. Patrick Müller, Leiter des Südpol Luzern, entgegnet, dass «Kommentare auf Facebook» in der Planung des Projekts TWL berücksichtigt würden. Kein Kommentar.

Offensichtlich ist, wie das Herr von Peter am Abend einmal zusammenfasst, dass das Ganze ein extrem schwieriger Prozess sei, bei dem die unterschiedlichsten Parteien beteiligt sind und zufriedengestellt werden müssten. Und mutig und ehrlich ist, dass man zugibt, dass man im Prozess momentan nicht ganz auf Kurs ist. Wir helfen gerne! Und, weil ja die Facebook-Kommentare gelesen und einbezogen werden, hier der offizielle Hashtag: #helplinemodulable (sonst stelle ich mir den Einbezug von Facebook-Kommentaren relativ schwierig vor). Postet, teilet, wir helfen! Der Laptop wechselt in den Standbye-Modus und zeigt anstelle der Titelfolie: «Mario Stübis Laptop». Gelächter. Irgendjemand sagt an dem Abend noch den absolut speziellen Satz: «Jeder nimmt Geld, wenn es da ist.» Wie bitte? Ah: Jemand hat mal noch geräuspert. Ziemlich laut. So: Over and Out.

Kleine Notiz am Rande: Standort & Finanzen wurden am Talk aussen vor gelassen, weil dies angeblich den Inhalt nicht tangiere. Ich glaube, dass Standort & Finanzen eine zentrale Rolle dabei spielen, wie dieses Haus bespielt wird und nicht unabhängig vom Inhalt angegangen werden kann. Es spielt doch eine Rolle, ob ich eine Hütte neben einen Bahnhof oder eine Kirche pflanze? Fragen auf dem Nachhauseweg:

  • Warum nutzt man nicht die bestehenden Räume in und um Luzern oder baut viele kleine Theaterboxen überall, die dann bespielt werden?
  • Weshalb überlegen wir uns eigentlich keine Alternativen, für den Fall, dass die Salle Modulable vom Volk im Vierwaldstättersee versenkt wird?
  • Wieso hat sich bei der anschliessenden Diskussion niemand von ACT gemeldet?
  • Ist es nicht super, dass so viele Leute an einem Abend über ein solch heisses Eisen diskutieren?
  • Wäre es nicht superer, wenn der Dialog ohne Floskeln und ideologische Verhärtungen auskommen würde?