Salle Modulable konkret - DIE Podiumsdiskussion im Südpol

Ein Gespenst geht um in Luzern: Das Gespenst «Salle Modulable». Seit der Publikation des Planungsberichtes und der an Dürrenmatts «Besuch der alten Dame» angelehnten gelben-Schuh-Demo in aller Munde und doch unfassbar diffus. Die IG Kultur wollte abstraktes konkret machen und lud zur Podiumsdiskussion im Südpol. Fazit: Viel Geld ist vorhanden, jedoch wenig Visionäres. Die Elite greift bloss Ideen auf, die in der alternativen Szene bereits seit den 60-ern kursieren.

Was wäre, wenn ein Raum die infrastrukturellen und akustischen Grenzen bestehender Musiksäle überwinden könnte? Eigentlich wäre sie ja eine ganz gute Idee, diese Salle Modulable. Aber braucht eine Stadt, die mit dem KKL bereits die beste Akustik in einem Konzertsaal auf der ganzen Welt bewerkstelligen kann, tatsächlich noch einen weiteren Hochkulturtempel, während der Nährboden – die freie Szene, die Alternativkultur – links liegen gelassen wird? Darum ging es beim gestrigen Podium höchstens am Rande. Thema war viel mehr, was denn diese ominöse Salle Modulable nun genau sein soll. Den Meisten löschte es schon während der Vorstellungsrunde ab. (Also zuerst gab es ja noch diese PowerPoint-Präsentation von Jost Huwyler, aber das war etwas gar trocken für meinen Geschmack und um diese Zeit. Facts & Figures, Einnahmen & Defizite, monoton runtergeleiert.) Zurück zur Vorstellungsrunde. Der Intendat des Lucerne Festivals und eifrige Krieger für die Salle Moudulable, Michael Haefliger, ergriff schnellstmöglichst das Mikro. Er sagte wenig in vielen Worten, dreschte gefühlte Stunden die selben drei Phrasen und benahm sich dabei wie ein Junge, dessen Leben eine Anreihung von Weihnachten und Geburtstagen ist, der stets «ich will, ich will, ich will» wiederholt, während es sein Elternhaus versäumt hat, ihm die Worte «Bitte» und «Danke» beizubringen. «Mein Wille geschehe, wie am Lucerne Festival, so in der Stadtplanung». Man wird das beklemmende Gefühl nicht los, dass da jemand vor allem für sich selbst ein Monument erbauen will. Dass sich eine Stadt mit einem privaten Projekt von anonymen Geldgebern ernsthaft auseinandersetzt, gibt dem Ganzen eine weitere dissonante Note... Wer an diesem Punkt jedoch nicht abschaltete oder gar den Saal verliess, erwartete doch noch eine packende Debatte darüber, wie sich die verschiedenen Podiumsteilnehmer eine Salle Modulable phantasieren. Da war zum Beispiel der Komponist und Musikhochschullehrer Urban Mäder, einer der wenigen von denen, die dort oben sassen, der wirkliche Visionen hatte, gar eine Salle Mobile vorschlug, multifunktionale Bauelemente, die hier und dort zum Einsatz kommen könnten. Als Beispiel, dass dies funktioniert, nannte er die Herrichtung einer Viscose-Halle für das Lucerne Festival, während der KKL-Bauzeit. Der Geschichtsdozent Valentin Groebner erklärte aus historischer Sicht, dass es schwierig sei, Erfolgsgeschichten zu kopieren. Man müsse schauen, dass Luzern nicht zu einem Disneyland werden würde. Er erhielt frenetischen Applaus von der Menge und einen «Buh»-Ruf von Rosie Bitterli. Alex Willener, Sozialarbeitsdozent, griff erstmals das Thema der alternativen Kultur auf und forderte, es dürfe nicht nur eine Mono-Hochkultur geben. Eine spannende kleine Ausschweifung war auch das Streitgespräch zwischen dem Kulturjournalisten Christoph Fellmann und Dominique Mentha, dem Intendanten des Luzerner Theaters, zum Thema weshalb ein gigantischer Teil der Theatersubventionen einem einzigen Entscheidungsträger zufällt. Die Heftigkeit von Menthas Antwort, sprach Bände. Da war jemand an einer wunden Stelle getroffen worden ... Das Publikum erschien unerwartet zahlreich und durchmischt wie selten in diesen Räumen. Vom Grosi bis zum Jungspund, vom Outlaw bis zum Stapi. Auch die Frauen kamen in Scharen, bloss nicht auf die Bühne. Einzige Vertreterin des weiblichen Geschlechts war dort Daniele Muscionico, freie Journalistin (u.a. für «Die Zeit», «Du», & ein wöchentlich erscheinendes, xenophobes Hetzblatt). Der Diskurs fand jedoch vor allem vor dem Anlass (in Workshopgruppen) und danach beim Bier oder Cüpli statt. Als das Podium während des Anlasses auf den ganzen Saal ausgeweitet wurde, kamen höchstens zaghaft ein paar verhaltene, teils auch verwirrende Fragen, Kommentare, Anregungen. Vielleicht hätte man die Debatte von Anfang an öffnen und Zwischenrufe, Interventionen aus dem Publikum fordern und fördern sollen. Aber wahrscheinlich hätte auch das nicht viel gebracht. Schön, haben wir darüber geredet. In dieser ersten Runde wurde versucht das Phantom «Salle Modulable» fassbarer zu machen. Weitere Podien werden folgen. Ich hoffe schwer, dass es dort eine Auslegeordnung geben wird, eine neue Debatte über Kulturkompromiss und Freiräume. Es wäre schön, an diesen Abenden vermehrt Vertreter der alternativen Szene antreffen zu dürfen ...