«Pragmatics of Human Communication»

Für einmal lässt man dem Offspace UG den Vortritt, am Samstag eine Premiere feiern zu dürfen (kommenden Samstag mit «Warteraum Zukunft»). So hat das Haus an der Reuss für «Wer hat Angst vor Virginia Wolf?» ausnahmsweise an einem Mittwoch zur Premiere geladen. Dem Publikumsaufmarsch und der Qualität war es nicht abträglich, im Gegenteil.

(Bilder: Toni Suter/zvg)

Ob es an der Affiche oder dem Tag lag, sei da hingestellt. Gut, mit «Who's Afraid of Virginia Woolf?» – einem Stück, das seit der Uraufführung 1962 am Broadway ein veritabler Publikumsmagnet ist – hat man sich für einen sicheren Wert entschieden. Edward Albees Werk ist erstens lustig und zweitens böse. Viel wichtiger scheint aber, dass sich das Stück auf unterschiedlichste Weise erschliessen lässt: Es entzieht sich, hier ganz Kind seiner Zeit, der damals etablierten Teilung von Unterhaltung und Ernst.

Edward Albees bitterböses Fest für vier Schauspieler nimmt sich im Vergleich etwa zu «Le dieu du carnage» (aktuell von Roman Polanski in «Carnage» für das Kino adaptiert) unverschämt viele Freiheiten. «Carnage» mutet im Vergleich geradezu als Weichspülversion an. Albees Figuren sind allesamt auch Stereotypen, sie werden aber in so ungewohnter Manier und mit einer Direktheit aufeinander losgelassen, dass damit Massstäbe gesetzt werden. Die Handlung ist schnell gesteckt: Das Akademiker-Ehepaar Martha und George kommt angetrunken von einer College-Party nach Hause. Als George daran ist, den Abend mit einem Drink ausklingen zu lassen, kündigt ihm Martha Gäste an. Die Gäste, Nick und Schätzchen, beide um einige Jahre jünger als die Gastgeber, verwickeln sich langsam aber sicher in die ritualisierten Ehegefechte des alternden Paars. Dabei werden sie anfangs noch als unwissende Steigbügelhalter instrumentalisiert – bis endlich auch dem Schätzchen halbwegs der Groschen fällt. «Who's Afraid of Virginia Woolf?» steht und fällt mit der schauspielerischen Besetzung. In der Inszenierung von Stephanie Mohr am Luzerner Theater kann man da getrost auf das eigene Ensemble setzen: Bettina Riebesel als Martha und Christian Baus (George) geben sich hervorragend! Riebesel erinnert gar an Elisabeth Taylor in der legendären Verflimung von 1966. Pech für jede Schauspielerin, die sich an der damals erst 35-jährigen (!) Taylor messen lassen muss. Die beiden Jüngeren – Juliane Lang (als Schätzchen) und Hajo Tuschy (Nick) – fallen leicht ab. Freiheiten nimmt sich die Luzerner Inszenierung, die sonst erfrischend nah beim Text bleibt, beim Bühnenbild (Andrea Uhmann, Nives Widauer). Die Rolle des imaginierten Sohnes von Martha und George als Fundament und Klammer der chaotischen Ehe wird treffend als luftiges Amalgan aus Kinderutensilien ins Bild gesetzt. Die Leinwand, die zeitlich verzögert und gespiegelt das Geschehen auf der Schaubühne wiedergibt, hält nicht nur die Schauspieler gefangen…

Bis 10. Juni 2012, Luzerner Theater