Fliegender Klangteppich

Südpol Luzern, 12.02.2016: Sitzend oder liegend durfte man gestern in andere Sphären entschweben. Mit Sonic Boom als Chefpilot. Aber Vorsicht vor dem Überschallknall!

Heute Abend ist im Südpol Elektronisches angesagt: Peter Kember (u.a. Gründungsmitglied der legendären Alternativrockband Spacemen 3) und sein Kabelsalat mit seinem Soloprojekt Sonic Boom. Das Konzert findet im Rahmen der Saisoneröffnung «Jahrfrüh’» statt. Die Halle ist mit verschiedenen Möglichkeiten fürs Zuhören ausgestattet: Kleine Turnhalle-Matten laden zum Liegen und Träumen ein, wohlige Sessel und Sofas zum Sitzen und Staunen. Jeder und jede soll es sich bequem machen auf diesem Klangteppich. Ein «Überschallknall», so das deutsche Wort für Sonic Boom. Es trifft ins Schwarze. Das Konzert ist zuvorderst auch etwas für die Augen: Auf der Leinwand findet eine ewige Fortpflanzung von Punkten statt. Sie vermehren sich, vereinen sich wieder, vermehren sich, vereinen sich. Grössere Flecken tauchen auf. Sie entfernen sich, bis sie im Nichts verschwinden. Wohin verschwinden sie? Wo sind sie jetzt? Und wir, das Publikum, auch wir befinden uns zuerst in der Realität, entfernen uns dann langsam und verschwinden im Nichts. Es öffnet sich uns eine Parrallelwelt, regiert von kurz aufleuchtenden Kreisen, bevölkert von pulsierenden Mikroorganismen. Kaum ist man im Bild drin, wird man wieder herauskatapultiert, in ein Neues hinein. Der Wechsel geht schnell, sodass alles flirrt und schwirrt, während es hörbar klirrt, verwirrt. Eine Fülle an abstrakten Informationen für die Augen.

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Es wummert, bummert, der Bass pulsiert. Ein elektronischer Stromstoß jagt den andern und plötzlich ertönt ein hoch piepsender Störfaktor. Dieser taucht auf, vermehrt sich, wird eingewoben in einen verstörenden und hypnotisierenden Klangteppich. Es bildet sich ein Sog, dem man sich kaum entziehen kannst. Immer tiefer ziehen einen die Töne hinein in Peter Kembers Machwerk. Im Liegen spürt dein Körper den Boden und doch entflieht er bald in höhere Sphären, wo er vor sich hin treibt, dem Ursprung der fremdartigen Tönen folgend, hinein in den Rausch der Farben und Formen auf der Leinwand. Wie Wind, wie Hitze, wie Kreise, wie Treppen, wie Wolken, wie Stimmen, wie Wellen, wie Schlösser, wie Honig, wie Rauch, wie Feuer, wie Flammen. Und es taucht diese Stimme auf inmitten abstrakten Soundstrukturen: «Like Grass, like love, like stairs, like fire, like sound, like voices …» Eine wohlklingende Aneinanderreihung von Worten, die sofort Bilder assoziiert. Die männliche Stimme gibt der Musik eine ruhige, erdige Konstante. Das Wort psychedelisch ist bisher noch nicht gefallen, gehört aber definitiv hier hin. Die Gedanken verschwimmen, bis sie verschwinden. Sonic Boom hat es geschafft, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und in einen anderen Bewusstseinszustand zu versetzen. Dafür danken wir ihm, er dankt zurück und sagt: «Good Night».