Eva und Heinz – wenn das gute Spiel nicht reicht

Am Dienstag premierte «Immer ist Jetzt» im Südpol, gestern «Eva und Heinz – wenn Liebe nicht reicht» im Kleintheater. Beides sind Produkte aus dem Projekt «Tankstelle neue Szene!», das die genannten Häuser in Kollaboration verantworten. Ziel des Projektes ist es, freies Tanz- und Theaterschaffen zu fördern. Kulturteil besuchte gestern Mittwoch das Kleintheater und hatte sich mehr erhofft.

Es begann vielversprechend und multimedial, endete aber vorhersehbar und platt. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten, ausser dass Kindstötung doch irgendwie 19. Jahrhundert ist. Sie lernen sich in der Disco kennen, Eva und Heinz. In der Disco, wo Schlager-Gassenhauer durch die Boxen donnern. Während das Publikum im Vorführungsraum eintrudelt und Platz nimmt, hat das Stück bereits begonnen. Über die Leinwand hinter den beiden flimmern erst Strände, Sonnenschirme und Meerwellen, bevor die bewegten Bilder in eine Melange von heiterer Polonaise und besoffenem Gegröle switchen. Immer schön mit einem vorbeiziehenden Karaoketext im unteren Bildrand. Der verblüffend gut mit dem Geschehen auf der Bühne korrespondiert: Als DJ Ötzi, der österreichische Popstar seit Falco – den Zuschauern die Zeile «ich schenk dir was für die Ewigkeit» aus seinem Skihüttengaudihit «Ein Stern, der deinen Namen trägt» entgegenjodelt, setzt Eva nüchtern ein, mit dem an Heinz gerichteten Satz: «Ich bin schwanger.» Eva ist abseits der Bühne Julia Schmidt. Im Fernsehen war sie Jenny Graf. Ja, die Kriminalmeisterin vom Tatort Hamburg, die sich dummerweise ne zu grosse Knarre ausgesucht hatte, was seltsam aussah. Später wurde sie wegbefördert, hatte jedoch irgendwann noch einen Auftritt, was Spektakuläres im Auto mit Stuntfrau. Heinz ist Patric Gehrig, bekannt aus Funk und Presse als Master of the Puppets beim Splätterlitheater. Die darstellerische Leistung war denn auch ansprechend. So ist es nicht den Schauspielern anzukreiden, dass gestern Abend im Kleintheater ein durchweg seichtes Theater aufgeführt wurde – mit leichten Lachern auf Kosten von Substanz und vor allem Tiefe. Die routinierte Julia Schmidt harmoniert mit dem überzeugenden Patric Gehrig wie Butter mit Brot, Kafi mit Träsch. Spielerisch wechseln die beiden auf der Bühne ihre Rollen und Funktionen (Dialoge mit Drittpersonen, bzw. Off-Stimme) – sämtliche Charaktere werden dabei von den Protagonisten gemimt. «Eva und Heinz» ist auch Gitta Lehners Verdienst, die mit dem Bühnenstück ihren gleichnamigen Roman inszeniert, deren drei die gelernte Sozialarbeiterin und Wirtschaftsinformatikerin bereits im Appenzeller Verlag veröffentlichte. Die Figuren sind sowohl aus dem deutschen Privatfernsehen als überdies aus dem Leben eines durchschnittlichen Bewohners der westlichen Welt bestens bekannt: Ein triebgesteuerter Mann, der am liebsten noch zu Hause bei Mama wohnen würde (schon sind wir wieder bei Freud und den Müttern angelangt) und sich vor jeglicher Verantwortung drückt. Dann die Frau, die insgeheim von einem besseren Leben träumt, sich dieses aber mangels eigener Fähigkeiten nicht selbst ermöglichen kann, weswegen sie ihren Lebenspartner unter Druck setzt, er solle gefälligst den wohlverdienten sozialen Aufstieg realisieren. Die beiden – auch hier ganz dem Klischee gerecht werdend – vermehren sich. Nicht erwähnenswert, dass sie auch als Eltern bei der Aufzucht des Nachwuchses überfordert sind. Diese simplen Eckdaten werden abendfüllend platt gewalzt und mit ihnen jegliche Konturen: So strotzt die Aufführung nur so von Gemeinplätzen und Klischees! Gleichwohl, die ersten paar Reihen fallen brav auf jeden geplanten Lacher rein. Irgendwie erinnerte uns das Ganze an eine B-Version des kürzlich im Südpol von der One-Woman-Group theaterkosmos 53 aufgeführten «Paul und Paula» aus der Feder von Ulrich Plenzdorff. Von einem Projekt wie «Tankstelle neue Szene!», das den löblichen Anspruch hat, junges Theaterschaffen zu fördern, hätten wir – trotz des, es muss noch einmal betont werden, sehr eindrücklichen Spiels der Akteure – mehr erwartet. Mehr Innovation, mehr Grenzauslotung, kurzum mehr Mut zur Freiheit. Für konventionelles Regietheater gibt's in Luzern bereits eine Spielstätte. Auch die Frage, ob man eher bereits Etablierte fördern will, oder das Risiko eingeht, junges, unangepasstes Schaffen zu fördern, das in Luzern reichlich vorhanden wäre, bleibt offen ...