Endzeitliche Bündner Beizengeschichten

Kleintheater, 22.1.2014: Arno Camenischs «Ustrinkata» in der Bühnenfassung des Bündner Ensembles ressort k verlebendigt eine fast schon apokalyptische Beizenstimmung. Ein Endspiel voller Melancholie, Erinnerung, traurigem Witz und guten Songs. Lohnenswert.

Sie hocken alle in der Beiz, ein letztes Mal. Es ist «Ustrinkata», ein Beisammensein der Stammgäste, bevor endgültig Schluss ist in der Beiz namens «Helvezia». Jeder und jede hat seine/ihre Geschichte, hat Geschichten parat von anderen, erinnert sich, fabuliert, schwadroniert und lamentiert. Man trinkt (das uns unbekannte «Farmer»-Bier gleich flaschenweise bzw. aus dem grossen Kübel), Luis hält sich an den Roten («an Quintin», wir vermuten aus der Ferne 2-dl-Fläschchen), Coiffeur Alexi will partout nur Wasser, was aber nicht zählt. Die Grossmutter dämmert linkerhand in ihrem Sessel und süffelt Schnaps mit Weihwasser. «Willkommen in Arno Camenischs Bündner Beizen-Biotop!» («kulturtipp»)

Also, es wird geredet, gebechert und geraucht, was das Zeug hält. Eine Live-Band ersetzt die Juke-Box. Zum Einstieg gibt’s Countryeskes. Otto, der mit dem Bart, hat einen Cowboy-Hut auf. Er war ja auch, um sein Witwer-Werden damals zu vergessen, drüben in den Staaten. Viel herumgekommen sind sie aber alle nicht wirklich. Jetzt hocken sie da in der Beizen-Stube, wo es trocken ist. Draussen das Gegenteil: Es schifft. Und zwar geradezu sintflutmässig. Es will nicht mehr aufhören. Und man geht raus zum Schiffen, wobei schon mal eine WC-Türklinke dran glauben muss. «D Häng bruun wie Chuehschissi», und das mitten im Winter. Es ist ein Elend, nicht nur mit dem Wetter. Wird es wieder so schlimm werden wie einst, wie sich einige erinnern können, als der Rhein Hochwasser hatte. Wird’s wieder eine grosse Naturkatastrophe? Man plaudert, plagiert, monologisiert, dialogisiert, räsoniert. Luis, der in der Latzhose und mit den Stiefeln an den Füssen, bringt mal die Definition: «Vo Zyt zo Zyt en Hirsch heibringe und ufen Chuchitisch stelle, das isch wohl Liebi gnueg.» Zur Auflockerung gibt’s vokale Live-Performances. Klassisches wie «Non ti scordar di me». Grossmutter erwacht für ein «Nobody Knows When You’re Down And Out» (Bettie Smith, Nina Simone u.a.). Die mit den Cowboy-Stiefeln singt «Love Of My Life», die anrührende Ballade von Queen, ins Mikrofon. Die Wirtin intoniert mal ein zartes «Sympathy For The Devil» (Rolling Stones). Dann ist Schluss. Oder doch nicht ganz – «non es Grosses». Es gibt das Buch, das Hörspiel, eine Berner Bühnenfassung und diese Inszenierung hier. Lohnenswert allemal.

Ressort k: «Ustrinkata», nach Arno Camenisch; Mit: Jaap Achterberg, Chasper Curò-Mani, David Flepp, Eleni Haupt, Luca Ramella, Marco Schädler, Nikolaus Schmid, Lea Schmocker, Anny Weiler  / Regie: Manfred Ferrari / Gesangsleitung:  Heinz Girschweiler /
Ausstattung: Ursina Schmid / Produktionsleitung: Bignia Erismann Kleintheater Luzern, 24./25. Januar, 20.00 Das Hörspiel von Radio SRF (2012, Regie: Geri Dillier) kann man hier nachhören.