Die wahren Künstler

Südpol Luzern, 13.11.2014: «Holiday on Stage», ein Stück über das Kapital der Aufmerksamkeit. Was theoretisch klingt, ist eine phantastisch erzählte Hinterfragerei.

Diese zwei Künstler halten vor allem pseudoemotionale Reden, werfen mit Glitter um sich und fläzen sich auf einem Sofa. Was wollen die damit sagen? Sie machen eben Urlaub auf der Bühne. Wobei schnell klar wird: Es sind weniger Ferien, als dass sie nicht wissen, was man als Künstler denn so tut. Sie haben sich schon selbst einen Preis verliehen, sind halbnackt herumgerannt und haben auch sonst alles getan, was man heute auf den Bühnen zu sehen bekommt. Filme, Musikstücke und Celebrities wurden zitiert. Sie haben wiederholt ohne Ende. Und für zwischendurch: ein paar Produktplatzierungen, damit auch die Sponsoren zufrieden sind (Die Logos sind übrigens das ganze Stück über an die Wand projiziert). Und langsam wird die Kritik, die Ironie, deutlich. Plötzlich betreten weitere Figuren die Bühne, die auch Künstler werden wollen. Obskure Vorstellungsgespräche sind das Resultat. Was ist die Hauptaufgabe eines Künstlers? (Fehler machen! Risiko eingehen! Nie etwas wiederholen!) Warum bist du hier? Süchtig nach Aufmerksamkeit! Wobei klar wird: die Frau kann eben putzen, basta. Künstler lieben das Klischee, und dem Asylbewerber aus dem Backstage, dem will man sowieso absagen. Doch niemand lässt sich abwimmeln, alle wiederholen, dass sie eben nichts wiederholen, und alle quetschen sich aufs Künstlersofa, das definitiv zu wenig Platz lässt und deswegen so begehrt ist. Nun muss man wieder gut machen, was vorher verpasst wurde: Selektion.   Wer ist Künstler? Im Sofa zusammengequetscht suchen die Künstler nach Lösungen. Ein Furz tut’s: die anderen fliehen. Natürlich, man kommt selbst weiter, wenn man die anderen behindert. Wegstinken, sozusagen. Wait, I have a better idea! Neue Sitzposition. Wait, I have a better idea! Tanzwettbewerb. Wait, I have a better idea! Competition! Nach spezifischen Fragen werden die wahren Künstler von den Träumern unterschieden: Hast du Geld? Bist du schön? Kommst du aus einer Familie, die etwas mit Kunst zu tun hat? Und jetzt, voilà: die Vorzeigekünstler. Natürlich nicht der Asylbewerber, nicht die Frau. Doch die lassen sich nicht lange abwimmeln, denn während die beiden Auserwählten sich nun mit «Poetry» von Dorian Gray beschäftigen, schleichen sie sich wieder herein. Und schon streiten sich alle um das eine Glas Champagner. Nun gut, das Publikum soll entscheiden. Man stellt also Fragen und wer diese mit ja beantworten kann, geht einen Schritt nach vorne, und wer dann am schnellsten beim prickelnden Gesöff ist, ist der einzig wahre Künstler. Nun kommt’s, wies kommen muss. Das Publikum lässt sich von der reinen Neugier leiten, und der Künstler wird so willkürlich ausgewählt wie nur möglich. Bist du heterosexuell? Wer verdient am meisten? Wer kann rückwärts gehen? Wer ist am schnellsten? Dürfen Künstler so ausgewählt werden? Klar. Oder die Zunge von Miley Cyrus gewinnt. Was man lieber mag.   Tun was man tun muss, Tun was man tun kann «Holiday on Stage» von Martin Schick und Damir Todorovic stellt wichtige und gute Fragen. Und sie stellen sie so unterhaltsam, eingängig und mit Glitzer geschmückt, dass wir sie einfach schlucken. Bis dann der Magen rumort. Sie zeigen Mut, ohne Probleme lassen sie das Publikum eine gefühlte Ewigkeit einen Roboterstaubsauger bei der Arbeit beobachten. Ist das Kunst? Sind ihre weissen Unterhosen Kunst? Sie kommen weg von der Theorie hin zu einer Geschichte, die alle wichtigen Fragen stellt, zeigen Künstler und das künstlich-Sein. Zeigen uns Kunst, wo keine ist. Hüpfen in Elvis-Presley-Kostümen, Abendkleidern und Tutus über die Bühne. Und wir, wir kaufen es ihnen verdammt gerne ab. Aber auch wir fragen uns: Woher nimmt man die Berechtigung, Künstler zu sein? (Fehler machen! Risiko eingehen! Nie etwas wieder.. äh.)