Das B-Sides ist abgesagt: «Eine unverhoffte Retraite»

Das B-Sides Festival streicht die diesjährige Ausgabe. Lange war man optimistisch – aufgrund des Bundesratsbeschlusses vom Mittwochnachmittag musste man für dieses Jahr nun doch aufgeben. Der Medienverantwortliche Dominik Unternährer will trotzdem nicht schwarzmalen.

Bild: zVg

2020 wird ein festivalloser Sommer. Die Anti-Coronavirus-Strategie des Bundesrats macht eine Durchführung für Grossevents unmöglich. Nachdem das Blue Balls bereits vor knapp zwei Wochen die Segel gestrichen hat, sagen nun auch das B-Sides Festival und das Lucerne Festival ihre diesjährigen Ausgaben ab.

Beim B-Sides waren die Verantwortlichen lange optimistisch, doch nun ist klar: Erstmals seit 2005 wird auf dem Sonnenberg keine Musik spielen. Dominik Unternährer, Medienverantwortlicher des B-Sides, erzählt im Interview, wie er die letzten Wochen erlebte und verrät auch schon Ideen und Visionen für den Sommer 2021.

Das B-Sides Festival 2020 findet nicht statt. Wie sind die Gefühle auf der Geschäftsstelle?

Es geht uns nicht schlecht. Natürlich wünscht sich niemand, fast ein Jahr auf etwas hinzuarbeiten, das dann nicht zu Stande kommt. Das ist schade, aber wir versuchen das Positive mitzunehmen und schauen umso freudiger auf das B-Sides 2021.

Was ist denn positiv?

Wir können uns Gedanken machen, wie wir das Festival weiterentwickeln möchten. Wir haben Zeit, uns mit dem Programm vertieft auseinanderzusetzen. So haben wir beispielsweise in diesem Jahr eine Filmvorstellung ins Festival miteinbezogen. Solche spartenübergreifenden Ideen wollen wir weiterspinnen. Gerade fragen wir uns, ob es möglich ist, in den Tagen vor dem Festival in der Stadt etwas passieren zu lassen. Wir befinden uns unverhofft in einer Retraiten-Situation, in der wir kreative Prozesse anregen können.

Dominik Unternährer
Dominik Unternährer ist Medienverantwortlicher des B-Sides Festivals. (Foto: Anja Fonseka)

Man hörte auch, es könnte im Winter eine Indoor-Version des B-Sides geben.

Wir haben mit Hinblick auf die mögliche bevorstehende Absage als Szenario angedacht, im Herbst ein Indoor-Festival zu organisieren. Dagegen spricht aber, dass dann der Kulturkalender bereits prall gefüllt ist. Viele Veranstalter*innen verlegen ihre Konzerte in den Herbst – da hat niemand auf eine kurzfristig organisierte Spezialausgabe des B-Sides-Festival gewartet.

«Gerade fragen wir uns, ob es möglich ist, in den Tagen vor dem Festival in der Stadt etwas passieren zu lassen.»

Noch am 10. April hiess es, man hoffe auf eine Durchführung. Wie lange war man denn wirklich optimistisch?

Wir glaubten ziemlich lange, dass das Festival stattfinden kann. Mit ein Grund dafür war, dass wir einen Schwerpunkt auf Schweizer Acts legen. Wir sind dadurch weniger abhängig von Tourplänen und Einreiseschwierigkeiten von internationalen Künstler*innen. Es war durchaus ein plausibles Szenario, dass wir eine Lösung mit lokalen Musiker*innen finden. Gleichzeitig waren wir in der Planung so weit fortgeschritten, da wollten wir die Hoffnung aufrechterhalten – auch für sämtliche beteiligte Partner*innen.

Wann wurde es euch bewusst, dass eine Durchführung wohl unmöglich ist?

Wir haben intern seit Anfang April verschiedene Szenarien angeschaut, wie beispielsweise eine Verschiebung in den Spätsommer. Die Überlegung war, dass möglicherweise Wochenenden frei werden, an denen grosse Festivals bereits absagen mussten. Dass wir sozusagen eine Lücke füllen können. Als der Bundesrat am 17. April seine Exit-Strategie kommunizierte hat sich aber auch für uns die Absage abgezeichnet. Andere Nationen hatten zu dem Zeitpunkt bereits Veranstaltungsverbote bis Ende des Sommers gesprochen.

Die Absage kommt jetzt zwei Wochen später. Wartete man noch auf das offizielle Verbot durch den Bundesrat?

Es ging dabei auch um die Rechtssicherheit. Wir haben uns dabei auch mit Stefan Sägesser (der Kulturverantwortliche des Kantons Luzern, Anm. d. Red.) und anderen Festivals von ähnlicher Grösse abgesprochen. Dabei haben wir entschieden, es ist am besten, wenn wir warten mit der Absage, bis das Verbot offiziell ist.

«Als der Bundesrat am 17. April seine Exit-Strategie kommunizierte hat sich auch für uns die Absage abgezeichnet.»

Was passiert mit den Tickets, die bereits verkauft sind?

Der Ticketverkaufsservice wird sich per Mail bei den Betroffenen melden. Man wird über einen Link einfach die Rückerstattung einfordern können.

Hätten die Tickets nicht gleich für nächstes Jahr gültig bleiben können?

Das haben wir diskutiert und uns dagegen entschieden. Es gibt ganz viele Gründe, warum jemand in einem Jahr vielleicht nicht am B-Sides teilnehmen kann. Wir fanden die Rückerstattung publikumsfreundlicher.

Setzt ihr wie andere darauf, dass die Leute den Ticketpreis einfach spenden?

Die Möglichkeit besteht und falls jemand so grosszügig ist, sind wir sehr dankbar. Den ganzen Ticketpreis zu spenden bedeutete aber gerade für Gäste mit einem Dreitagespass auf einen vergleichsweise hohen Betrag zu verzichten. Wir erhoffen uns, dass die Leute mit dem rückerstatteten Geld eine Mitgliedschaft als «B-Sides-Lover» abschliessen, die weniger kostet, uns aber trotzdem weiterhilft.

«Wir erhoffen uns, dass am Ende die Null steht und kein grösserer finanzieller Schaden entsteht.»

Was bedeutet die Absage für die Finanzen? Wie geht es der Vereinskasse?

Wir mussten zum Glück noch nicht viele Ausgaben tätigen, abgesehen von den Löhnen der Geschäftsstelle. Wir sind im Austausch mit privaten Stiftungen, die uns immer unterstützen. Dort wurden uns bereits zumindest Teilleistungen zugesprochen. Auch von den öffentlichen Förderstellen wie dem RKK oder der Stadt Kriens Kulturförderung haben wir die Zusicherung, dass wir die Beträge nicht zurückerstatten müssen. Wir erhoffen uns also, dass am Ende die Null steht und kein grösserer finanzieller Schaden entsteht.

Werden einzelne Programmpunkte ins nächste Jahr verlegt?

Auf regionaler und nationaler Ebene sind wir stark daran interessiert, die Künstler*innen zu einem grossen Teil zu übernehmen. Natürlich müssen wir schauen, dass diese dann noch immer zu einem gewissen Grad aktuell sind und das Programm in sich stimmig bleibt. Bei internationalen Acts ist es hingegen schwer eine Prognose abzugeben, da viel mehr Faktoren wie Tourplanung und Verfügbarkeiten einen Einfluss haben.

Expert*innen warnen, Grossveranstaltungen seien erst wieder möglich, wenn ein Impfstoff entdeckt ist, was noch rund 18 Monate dauern dürfte. Was, wenn auch 2021 kein B-Sides Festival stattfindet?

Dieses Szenario wollen wir uns noch nicht ausmalen. Keine Festivals während 18 Monaten wäre schlimm. Nicht nur für uns, sondern für alle kulturinteressierten Menschen. Gerade werden zwar Formate entwickelt, wie man Veranstaltungen trotz Einhaltung der Distanz- und Hygienemassnahmen durchführen kann. Für ein Festival im Freien ist dies aber enorm schwer. Uns bleibt nur zu hoffen, dass dieses Szenario nicht eintrifft.