Tief schummernde Sehnsucht – Les Yeux Sans Visage im Südpol

Am Samstag taufte die Luzerner Band Les Yeux Sans Visage ihr Debütalbum «Tomorrow Is A Million Years» im Südpol. Ein Abend voller Erwartungen.

(Von Simon Meienberg)

Wenn Ismail in die Saiten greift, wenn sich Remos Stimme im Weltschmerz suhlt und Flavios Energie sich in den Drums entlädt, wird man selten enttäuscht. Die drei Luzerner verkörpern Les Yeux Sans Visage und gelten mittlerweile in der ganzen Schweiz als Band mit Format. Dem Ruf der Band folgend, fand sich gestern eine grosse Fangemeinde im Südpol ein, um die Taufe des LP-Erstlings «Tomorrow is a Million Years» zu feiern. «Die Wahrheit ist wichtiger als Tatsachen»: Das Zitat auf der Website von Little Jig Records, dem Label der Band, lässt mich dem Abend näher auf den Grund gehen. Fangen wir mit den Tatsachen an:

  • Nach zwei limitierten Vinyl-Singles präsentierten Les Yeux Sans Visage gestern den lang ersehnten Longplayer mit zehn komplett neuen Kompositionen. Erschienen ist die Platte unter dem Lable Little Jig Records, das lokale Bands wie Joan & The Sailors und Tunica Dartos unter Vertrag hat.
  • Die Band fügte den musikalischen Verweisen in die 80er-Jahre ein ganz neues Repertoire an Klangbildern hinzu. Oder wie sie es selbst nennen: «cineastische Soundflächen paaren sich mit authentischen 80er-Referenzen.» In der Tat brachten die hallenden Klänge ein ganzes Kopfkino ins Laufen.
  • Die Tracks von «Tomorrow Is a Million Years» erwecken eine tief schlummernde Sehnsucht, den Wunsch nach vollkommener Freiheit. Sie handeln von Aufbruch und Abschied («A Liquid Sky») bewegen sich innerhalb und ausserhalb von Raum und Zeit und siedeln sich irgendwo zwischen Gegenwart und Zukunft an.
  • Gestalterisch interpretierte der Grafiker Felix Pfäffli die Musik der Band und kreierte daraus ein 16-seitiges Booklet, das den der Musik innewohnenden Surrealismus aufnimmt und verstärkt.

Und sprechen wir dann über Wahrheiten:

  • Die Zuschauer füllten den Südpol bis auf den letzten Zentimeter und die Vorband im Foyer machte die zwei Stunden Wartezeit auch nicht gerade erträglicher.
  • Um 23 Uhr gaben sich die Stars des Abends dann doch noch die Ehre, um schon nach fünf Stücken und einer knappen Stunde wieder zu verschwinden.
  • Die Band tauchte schemenhaft aus dem Nebel auf, im Hintergrund zogen Wolken vorbei und verdunkelten den unendlichen Himmel. Der Duft von feuchtem Gras stieg einem in die Nase. Am Boden waberten die Schwaden über den Rasen und schlängelten sich zwischen den Beinen der Zuschauer hindurch. Die Inszenierung konnte kaum passender sein. Im Einklang mit der Musik verlieh sie dem Raum etwas Surreales, gar Losgelöstes.
  • Wer nicht aufpasste, drohte sich im Klanglabyrinth zu verirren und fand den Zugang zur Musik nur mit Mühe wieder.
  • Den neuen Stücken fehlte es an Dichte und Spannung, Ecken und Kanten. Man wurde beschallt, statt in den Bann gezogen.