Ambitioniert unseriös

PlattenWechsler: Was geschieht, wenn man für einmal etwas produziert, das nicht so ernst genommen wird – von einem selbst? Diese Frage stellte sich Timo Keller, als er einen Tag mit sechs Musikern in seinem Studio verbrachte und ein Album nach striktem Zeitplan produzierte. Er wirbt: «Nicht alle Songs finden wir scheisse.»

Bild: zVg

Am 24. April erscheint «Hey! Folk of Death» – eine Platte, die zu tief angepriesen wird, als dass sie uns entgehen könnte. Mag ihre Entstehungsgeschichte nicht von Länge sein; bemerkenswert ist sie auf jeden Fall. So hat Timo Keller – Musiker (Hanreti), Produzent (u. a. Faber) und Besitzer des Luzerner Studios vom Dach – kurzerhand zehn Songs geschrieben, die er gemeinsam mit sechs Musikerkollegen an nur einem Tag als Album aufgenommen hat. Und das, ohne der Band, die sich Why Foxes, Why? nennt, auch nur einen der Songs im Vornhinein zu zeigen.

Jenseits des eigenen Gärtchens

«Wir haben uns pro Song genau eine Stunde Zeit genommen», erzählt Keller und klingt dabei so, als wäre das ziemlich einfach gewesen. Während sich Schlagzeug, Banjo und Violine, Gitarre, Bass und Piano austobten, war er Stimme und Dirigent in einem. «Die einzigen zwei Fragen, die wir uns am Ende eines Songs gestellt haben, waren erstens, ob wir den Zeitplan eingehalten haben und zweitens, ob’s Spass gemacht hat.»

«Die Texte bewegen sich irgendwo zwischen extrem schön und extrem sinnfrei.»

Doch das war noch nicht alles; hinter der Experimentierfreudigkeit steckten noch andere Interessen. Zum Beispiel durch den Zeitdruck die kreative Blockade zu überwinden, einmal im Jahr etwas Dummes zu machen («das finde ich perfekt») oder einfach einmal über das eigene Gemüsegärtchen hinauszuschauen. Denn, wie Keller sagt, «manchmal ist es schön, etwas Altbekanntes komplett anders zu machen, um herauszufinden, was es eigentlich für einen bedeutet».

Hey! Folk of Death
Das Plattencover von «Hey! Folk of Death»

Aber warum gerade «Hey-Folk», ein selbst erfundenes Folk-Untergenre, bei dem man jeweils auf den vierten Schlag im Takt «Hey!» reinrufen kann? Keller sagt, ist es doch ganz witzig, seine Liebe für diese Art der Folkmusik sei schlicht zu wenig gross, um sich ihr so richtig zu widmen – daher auch die Idee, die Platte an einem Tag zu produzieren. Passend widmen sich die von Béla Rothenbühler geschriebenen Texte (in Gedanken bereisten) Orten. Auch er hat sich an das Zeitdruck-Konzept gehalten, deshalb bewegen sich die Texte «irgendwo zwischen extrem schön und extrem sinnfrei», findet Keller.

«Elf Männer zu null Frauen ist eine Katastrophenquote, das kann man wirklich so sagen.»

Ähnlich also wie der Bandname «Why Foxes, Why?»? Es gebe da eine Internet-Seite, der sogenannte «Band Name Generator», sagt Keller. Ganz schön faul? Nein, speditiv!, wird entgegnet.

Dass beim Projekt ausschliesslich Männer beteiligt sind, habe er nicht bewusst gesteuert. Als es ihnen aufgefallen sei, habe es sie schon ein bisschen beschämt, meint Keller. «Elf zu null ist eine Katastrophenquote, das kann man wirklich so sagen.» Er kann sich aber vorstellen, dass es beim nächsten Projekt – sollte es denn eins geben – eher ins Gegenteil kippen würde. Etwa bei einem «Hey! Grunge of Death»-Album.

Blockadencheck: weg

Angefragt hatte er die Band «mit einem grossen Augenzwinkern» – und so, erfahren wir im Pressetext, sei auch ihre Musik zu geniessen. Eine Parodie? Keinesfalls! Aber: «Wir befinden uns auf einem sehr schmalen Grat. Und das ist auch unser Problem, denn wir finden nicht alle Songs scheisse», gesteht Keller.

Was geschieht nun also, wenn man auf solch ambitioniert unseriöse Weise Musik macht? Ihm sei es viel einfacher gefallen, Songs zu schreiben, wenn er sie dabei nicht so ernst nahm, sagt Keller. Diese Leichtigkeit sei auch der Band aufgefallen, «dabei war es für jeden sein eigenes Experiment.» Er hofft, auch andere Künstler*innen mit dieser Idee inspirieren zu können.

Und wie geht’s weiter?

Die Plattentaufe wäre auf den 1. Mai in der Schüür angesetzt gewesen. Noch ist sie nicht offiziell abgesagt, doch das ist wohl eine Frage der Zeit. Das weiss auch Keller. Momentan seien sie daran, eine gemeinsame Lösung mit dem Konzerthaus zu finden. Doch nach diesem Frühling sind die Daten knapp, viele Konzerte werden in den Herbst verschoben. Da wollen er und «Why Foxes, Why?» zurückhaltend sein. Keller will «im Bus aufstehen und dem Grosi Platz machen. Es gibt Dringlicheres als unser Spass-Projekt.»

«Es gibt Dringlicheres als unser Spass-Projekt.»

Zurzeit hält er sich im Berner Oberland auf, wo er die Zeit in der Isolation nutzt, um etwas Nachhaltiges zu schaffen. Es sei für ihn viel konstruktiver, sich jetzt in die eigenen Interessen zu vertiefen oder auch Neues auszuprobieren, statt die eigenen Ressourcen dafür aufzuwenden, bereits Bestehendes in kondensierter Form in die Welt zu setzen. «Mit aller Liebe zu diesen komischen Konzert-Formaten, die in letzter Zeit entstehen. Aber das hat für mich einfach keine grosse Wirkung, keine Nachhaltigkeit.» Vielmehr hofft der Produzent darauf, dass nach der Zwangspause im Herbst richtig gute Alben entstehen werden.

Und sein Spass-Projekt? Das wird vorerst so gehandhabt, wie bisher: Man schaut vorneweg. Gross in Gigs zu investieren wäre wenig sinnvoll, da sämtlichen Beteiligten einerseits die Zeit dazu fehlt, andererseits sowieso nächstes Jahr eine neue Band – Grunge oder Reggae? – gegründet werden müsste. «Ich glaube aber, wenn uns irgendein ulkiges Open-Air buchen würde, fänden wir das sehr witzig.»

Why Foxes, Why? – Hey! Folk of Death
VÖ: 24.4.2020 (Little Jig Records)

Why Foxes, Why? sind:
Timo Keller (Hanreti), Sebastian Schwarz (Into Orleans, Maple Tree Circus), Lukas Bircher (Into Orleans, Maple Tree Circus), Silvan Koch (Faber), Christian Winiker (Tin Shelter Crew), Jwan Steiner (One Lucky Sperm, GeilerAsDu) und Stoph Ruckli (Azz Jazz, Stoph Bjornson)