Zirpende Zikaden und indische Eisenbahnen – Christy Doran’s Bunter Hund im Kleintheater

Christy Doran lud zur Premiere seiner neuen Formation, Bunter Hund, in das gut besuchte Kleintheater. Pirelli ging hin, um den hiesigen Gitarrengott wieder einmal bei der Arbeit zu sehen – der Hund war tatsächlich bunt, wenngleich vielleicht noch ein bisschen wohlerzogen.

Mit ungewohntem Hundegeheul tritt Christy Doran an das Mikrofon, erklärt, so beginne das Leben eines Hundes, und zeigt auf die Band: Patricia Draeger (Akkordeon), Patrice Môret (Bass) und Lionel Friedli (Schlagzeug). Doran wird den ganzen Abend bescheiden-charmant wie eh kurz auf die Hintergründe der Kompositionen eingehen, erzählen, wo ihm die Idee dazu gekommen sei. Und um Kompositionen handelt es sich tatsächlich: Wer einen hohen Noise-Anteil und kynische Wildheit erwartet hat, muss sich über weite Strecken eines Besseren belehren lassen.

Hier ist ein starker gestalterischer Wille am Werk, eine gewisse Rigidität lässt sich nicht verschweigen. Das hat nur schon mit der Instrumentierung zu tun: Während Doran sich grosszügig seines Effektarsenals bedient und über zwei Amps fährt, spielen Akkordeon, Kontrabass und Schlagzeug quasi unplugged. Das ergibt zwar durchaus reizvolle Kombinationen – etwa wenn mit Volumenpedal angespielte Gitarren-Flageoletts mit einzeln gesetzten Akkordeontönen korrespondieren –, führt aber auch dazu, dass die Gitarre als das dichteste der Instrumente immer im Zentrum steht, den Ton angibt sozusagen. Verstärkt wird diese Wirkung dadurch, dass Draeger sich über weite Strecken auf die Melodieregister der Handharfe beschränkt und die grosse harmonische Macht ihres Instruments nicht wirklich ausspielt. Nur einmal wird sie auch die linke Hand während eines Solos einsetzen – und sogleich wird die Gitarre in ihre Schranken verwiesen. Die gespielten Kompositionen sind allesamt hochkomplex und äusserst hörenswert, mit klaren Feel- und Timewechseln. Sie entführen einen durch verschiedene Epochen der modernen Musik zu immer neuen Welten, sei es zum Zirpen der Zikaden auf einer griechischen Insel, sei es auf eine Fahrt mit einer indischen Kult-Eisenbahnlinie. Doran ist ein begnadeter Gitarrist, ihm zuzuhören macht Freude. Und was zur kompositorischen Strenge beiträgt wie oben beschrieben, entfaltet sich durchaus auch zu ungeahntem Neuem: Wenn zum Beispiel Doran, Friedli und Môret in Höchsttempo gewittern, wirkt das von Draeger darüber gelegte, gemächlich und nur zweistimmig eingesetzte Akkordeon wie ein neues Instrument. Ein integral lohnender Abend – man hätte den Hund einfach gern noch etwas mehr herumtollen sehen mögen.