Xeno-Arachnophobie

Luzerner Theater, 29.09.2017: «Die schwarze Spinne» entführt in eine unheimliche Welt, in der sich surreale Figuren singend den Konsequenzen eines Betruges, Fremdenhass und tödlichen Spinnen stellen müssen. Der Horror.

«Die schwarze Spinne» am Luzerner Theater basiert auf der gleichnamigen Novelle des Schweizer Pfarrers Jeremias Gotthelf aus dem Jahr 1842. Er erzählt darin eine Geschichte eines Dorfs, das von einem fremden Ritter geknechtet wird. Aus Eitelkeit zwingt er seine Leibeigenen, unter Todesandrohungen, zu einer unmöglichen Arbeit. Hundert Buchen müssen sie für ihn auf dem kahlen Berg anpflanzen. In ihrer grössten Verzweiflung erscheint den Bauern der Teufel, in Form eines grünen Jägers, mit einem unheiligen Pakt. Er erledigt diese Aufgabe für sie, wenn sie ihm ein ungetauftes Kind übergeben. Die aus der Fremde kommende Christine ist überzeugt davon, dass der Teufel zu überlisten ist und willigt, mittels eines Kusses auf die Wange, in den Pakt ein. Als der Teufel seinen Teil der Abmachung erfüllt, die Bauern ihn aber gemeinsam um seinen Preis bringen, entspringt aus Christine eine schwarze Spinne, die mordend durch das Dorf zieht, um daran zu erinnern, dass man dem Teufel geben muss, was ihm zusteht.

Schon der erste Eindruck, den das Bühnenbild vermittelt, beschwört den Horror. Nebel liegt schwer auf dem Boden, eine noch unbekannte Figur, mit langen, zerfetzten Kleidern und langem blonden Haar streift unheimlich umher, ein Schloss lauert bedrohlich im Hintergrund.

Schnell wird jedoch klar, dass es sich beim Stück nicht genau um «Die schwarze Spinne», die man vielleicht noch aus der Schule kennt, handelt. Denn nicht ein Grossvater erzählt die Geschichte, wie in der Novelle, sondern der Teufel selbst. Und wenn der Teufel persönlich eine Geschichte erzählt, ist manches ein wenig anders.

die schwarze spinne

Passend dazu wird das Stück von Barbara-David Brüesch als «Grusical» (ein Grusel-Musical) inszeniert. Bei diesem Begriff denkt man unweigerlich an Tim Burton, und während des Stücks fallen definitiv burtoneske Elemente auf. So sind die Figuren grotesk, verunstaltet, die Kostüme irgendwie verzerrt. Unheimliche Momente werden lockeren Musicaleinlagen gegenübergestellt. Man fürchtet sich mit einem Lächeln im Gesicht.

Die Schauspieler haben sichtlich Spass an den überdrehten Figuren. Der Grüne (Lukas Darnstädt) zappelt, zuckt, windet sich, schleicht, sabbert und spuckt. Er verführt, bedroht, schüchtert ein, brennt. Der Ritter von Stoffeln (Thomas Douglas) ist mal Witzfigur, mal angsteinflössender Tyrann. Und Verena Lercher spielt überzeugend eine Christine, die als ewige Fremde in einem Schweizer Dorf nie etwas richtig machen kann.

Die musikalische Begleitung, unter der Leitung von Knut Jensen, lässt sich kaum in ein Genre einordnen. So spielt die Band mal bedrohlich dissonante Töne, mal klimpert ein Harmonium vage vertraute Horrormelodien, und dann wird es plötzlich jazzig, wenn der Kontrabass und das Klavier mit einstimmen.

Mit Projektionen wird die Gruselstimmung auf der Bühne noch weiter verschärft. So erscheint sie zum Beispiel mal ganz verpixelt, mal krabbeln lange Spinnenbeine so unangenehm die Wand entlang, dass sich einem die Haare an den Armen aufrichten.

«Die schwarze Spinne» ist eine viszerale Erfahrung, die das Publikum oftmals zu irritieren vermag. Man will eigentlich wegschauen, starrt aber fasziniert aufs Geschehen. Genau wie Horror sein sollte.

(Fotos: Ingo Höhn)

Weitere Informationen: www.luzernertheater.ch/dieschwarzespinne