«Will you tell me again why you want me to smile?» – Mat Callahan in der Blues Bar

Pirelli macht sich gar nichts aus Singer/Songwritern. Entsprechend war er etwas skeptisch, als ihn sein Schlagwerker, der grosse Rafi Woll, in die Blues Bar zu Mat Callahan lud – doch was er da auf die Ohren bekam, hatte mit dem üblichen Genöle so rein gar nichts zu tun; es machte richtig glücklich.

Mat Callahan, der Barde und Autor aus San Francisco, hat die Combo wiedervereint, mit der er 2001 «San Francisco» eingespielt hat – mit Ausnahme des 2008 verstorbenen, aber unvergessenen Schlagzeugers Fabian Kuratli, dessen Platz Rafi Woll einnimmt. Die Eröffnung der aktuellen Tour fand gestern Donnerstag in der sehr gut besuchten Blues Bar statt – wo, für alle, die es noch nicht wissen sollten, jeden Donnerstag ganz feine Konzerte in grosser stilistischer Bandbreite geboten werden. Hingehen, solange man noch kann! Die Frigorex lebt, Schumacher und dem unermüdlichen Bestreben der Stadt nach Gentrifizierung sei Dank, nicht mehr ewig! Da mir der Sänger nicht bekannt war, besuchte ich seine Website zur Vorbereitung, wo man das aktuelle Album, «Burn the Boogeyman» (im Duo mit Gemahlin Yvonne Moore) in voller Länge hören kann. Gehet hin und höret, der Besuch lohnt! Ich auf jeden Fall freute mich plötzlich auf einen Singer/Songwriter – mein eigenes kleines Osterwunder.

Callahan begann das Konzert solo, sich selbst auf einer akustischen Gitarre begleitend, die er mit grösster rhythmischer Virtuosität bediente, über die komplexen Rhythmen legte er seine wortreichen Geschichten – das Publikum war von Anfang an elektrisiert, auch ich. Es klang, um es ungenügend in Worte zu fassen, als hätte Lenny Kravitz sich mit Tom Waits vereinigt; ganz weit fernab von dem üblichen Genöle, das Kerle mit akustischen Klampfen sonst veranstalten, sodass man ihnen ebendiese Klampfe nach längstens zwei Nummern um die Ohren hauen möchte. Was man nur nicht tut, weil einen die hierzu nötige Nähe zu sehr ekelt. Hier stand ein erfahrener, nicht mehr ganz junger Mann auf der Bühne, der seine Geschichten fein detailliert ausbreitete, mit grosser Musikalität und einer Stimme, die einem das Rückenmark kribbeln macht, die die Rauheit des weiten Westens ebenso evoziert wie die Zärtlichkeit der ersten Sonnenstrahlen auf der Golden Gate Bridge. Oder so. Nun traten Yvonne Moore und Shirley Grimes hinzu, die den ganzen Abend die Backing Vocals liefern sollten: ganz grosses Kino, wie die beiden gestandenen Solistinnen und Frontfrauen ihre gewaltigen Rockröhren in den Dienst der Songs, der Band stellten, wild, mit gospelhaftem Druck und doch fein synchronisiertem Vibrato. Diese raue Stimme, akustische Gitarre, dezent eingesetzte Mundharfe, die druckvollen Vokalistinnen … fast fand man es schade, als die ganze Band auf die Bühne gerufen wurde.

Doch diese Band hat es in sich: Mit Wolfgang Zwiauer am Bass, Sam Baur an der Perkussion und natürlich dem unvergleichlichen Rafi Woll am Schlagzeug sind da lauter Top Cats am Start – entsprechend dicht und gut ausgewogen ist der Sound, auch in der ob ihrer Kleinheit und ihrer Spiegelwände schwierig zu beschallenden Blues Bar klangs wirklich gut. Callahan, der seine Klampfe inzwischen gegen eine schöne, alte Tele getauscht hatte, erwies sich als sehr eigenständiger E-Gitarrist und als einfalls- und nuancenreicher, aber nie auftrumpfender Solist – man hätte sich allerdings mehr Solos gewünscht, der Ausritte waren etwas wenige. Er bediente sich einer grossen Vielfalt der US-Populärmusik, da wurde gerockt, gebluest, gefolkt und gefunkt, dass es eine Freude war, alle Arrangements solid, eher traditionell, aber sorgfältig austariert. Interessant auch das Zusammenspiel von Woll und Baur, der mit Standtom und Stehpauke die herzige Kleinheit von Wolls Drumset spannend ergänzte. Callahan ist auch ein grosser Entertainer, allein seine Ansagen wären den Besuch wert gewesen. Die Bandbreite der Lyrics war so gross wie die der Musikstile; er erklärte Einsteins Relativitätstheorie in drei Minuten, sang über die Frau, die für alle Taxifahrer betet, wollte von einem Plakat wissen, weshalb genau er jetzt lächeln müsse. Doch ich war bald nicht mehr in der Lage, den Texten wirklich zu folgen: Die schiere Grossartigkeit des Gebotenen entrückte mich in ein Universum der Glückseligkeit.

Die Tour dauert bis 15. April – hingehen!