Wer macht wen wo grün und / oder zu wessen Glas?

Die in Genf lebende Lyrikerin Heike Fiedler feiert in der Loge die Taufe ihres Gedichtbandes  «langues de meehr» mit einer Lesung. Dabei wird das Publikum derart mit Lautsalven befeuert, dass sich zumindest der Autor ein wenig so fühlt, als wäre er mit einem Wörterbuch verhauen worden. Was sich aber nicht so schlecht anfühlt.

So muss es geklungen haben, nachdem uns in der Wüste dieser verdammte Turm auf den Kopf gefallen war. Damals, vor der Erfindung der komplexen Wörter, als eine, vielleicht zwei Silben und die Art der Betonung den Inhalt eher unzureichend zu vermittelten versuchen mussten. So heisst in diesem Falle: Wirr. Wenn Heike Fiedler liest, fliegen einem die Worte in rasendem Tempo um die Ohren. Und zugleich in mindestens drei Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch. Und meist sind die Worte bestenfalls zu Anfang noch als solche zu verstehen, teilen sich in ihre Bestandteile, werden neu zusammengesetzt, wieder zerrissen und das Staccato der Laute wird zunehmend konfuser, scheinbar beliebiger, und endet dann meist ganz harmlos. Und dann kommt das nächste Gedicht und es ergeht einem wieder genau wie beim vorherigen. Hier entsteht Komplexität durch die Verdichtung des Banalen. Heike Fiedlers Buch erscheint in der Reihe «edition spoken script» des Verlags «Der Gesunde Menschenversand». Diese Reihe habe das Ziel, so erfährt man zu Anfang der Veranstaltung, Mündliches in Druckbares zu verwandeln. Das ist in der Tat sehr schön gelungen. Die Gedichte sind gerade visuell sehr ansprechend gestaltet. Tatsächlich funktioniert das Ganze in Druckform so gut, dass ich mich unweigerlich frage, ob Frau Fiedlers «GeDichte» auf Papier nicht tatsächlich viel besser zur Geltung kommen. Auch wenn einwandfrei gelesen wurde, in einem solchen Tornado aus Lauten bleibt keine Zeit sich der Fülle an Verknüpfungen bewusst zu werden. Was wirklich schade ist, denn wenn sich Heike Fiedler mit einer gehörigen Portion Experimentierfreude etwa auf das Wort «ouvert» stürzt, und einem plötzlich mal auffällt, wie viele Bedeutungen der winzige Laut «ver» alleine in den drei bereits genannten Sprachen hat, dann wird man sich bewusst, mit welcher Gewohnheit wir Sprache verwenden. Im Verlaufe der Lesung wird das Chaos noch ein bisschen weitergetrieben. Erst holt sich Frau Fiedler die Mitherausgeberin der «edition spoken script», Ursina Greuel, zur Verstärkung auf die Bühne, und es wird zu zweit, mal abwechselnd Silben und Worte einwerfend, mal simultan gelesen, dann wird das mürrisch reagierende Publikum (Nein, ich mag Interaktivität auch nicht) eingespannt, und zum Schluss sorgt die Projektion von Worten, Wortfetzen und die Stimme aus der Konserve für eine leichte optische Reizüberflutung. Heike Fiedlers Arbeit ist zwar auf das gesprochene Wort ausgelegt, für mich aber in dieser Form kaum zu fassen und nach etwas gar viel vom Gleichen, oder zumindest vom Ähnlichen auch einigermassen ermüdend. In Buchform kann man sich in Ruhe auf die vielen Facetten und Bedeutung unserer Worte konzentrieren, so lange, bis man sich zu fragen beginnt, ob es dieses oder jenes Wort überhaupt gibt, und wenn ja, was zur Hölle es bedeutet. Und wenn man findet, diese Gedichte gehören einfach laut gelesen, bitteschön, dann soll man das doch tun.