Von Seebären und japanischen Kleidern

Der Südpol lud gestern Freitag zum isländischen Abend: Der Geheimtipp Kimono und die etwas bekannteren Seabear waren traktandiert. Der Autor freute sich insbesondere auf zweitere – und war ganz und gar angetan von ersteren. Und von Sinner DC, aber das war dann im Treibhaus.

Gut, dass der Sommer vorüber ist und man ausgangstechnisch wieder eine echte Auswahl hat. Hinter dem Südpol, vor dem Clubeingang, hatte sich um halb zehn eine Schlange gebildet – augenscheinlich hatten sich viele für den Südpol entschieden. Es wurde gewartet, rumgestanden, geraucht, Bier getrunken, die spätsommerliche Wärme genossen, es herrschte frohlockende Stimmung unter dem angenehm durchmischten Publikum.

Die ersten Akkorde erklangen und die Menschen bewegten sich in den Raum. Die zum Trio geschrumpften Kimono standen auf der Bühne – und sie klangen so gar nicht isländisch. Hatte der Schreibende selbige Band zuvor ab Konserve als eher eintönig empfunden, waren sie live und direkt eine Wucht. Sie schmetterten mit Gitarrenriffs und Rhythmuswechseln um sich, nie um eine wohlklingende Melodie verlegen – Musik irgendwo in der Grauzone zwischen Post-Rock und Metalanleihen. Mal spielte Sänger Alex MacNeil Gitarre, mal Bass. Mal in Kombination zur Gitarre, respektive zum Bass von Gylfi Blöndal. Der Sound war trotz der sparsamen Besetzung fett und füllte den Club schön aus. Das Konzert war eine irrwitzige Achterbahnfahrt – unterbrochen durch die im sehr sympathischen Isländerdialekt gehaltenen Ansagen des Sängers. 40 Minuten voller Energie, Spielfreude und Direktheit – dann war Schluss und die Schlange bewegte sich an die frische Luft – rauchte, plauderte, trank.

Später wurde es enger auf der Bühne, als Seabear zu siebt darauf traten. Geigen, Orgel, Blasinstrumente und Akkustikgitarren waren angesagt – zugegebenermassen ein Bruch im Vergleich zu vorher. Klar, auch die eher melancholisch gehaltenen Folksongs können eine ähnliche Energie in den Raum zaubern wie die bodenständigen Saiten-Monster von Kimono. Taten sie aber leider nicht. Die Band war sympathisch, legte eine ansteckende Spielfreude an den Tag, war aber insgesamt zu eintönig. Dazu kam, dass der Sound mit all seinen Finessen im Raum kaum zum Tragen kam. Die isländische Melancholie gepaart mit countryesken Geigeneinlagen führte in den besten Momenten zu schön schunkelnden Nummern, doch war der Seebär über weite Strecken leider etwas ohne Spannung. Schön war, wie Sänger Sindri Sigfússon die Songs in den Raum hauchte, dabei etwas verstört in der Welt herumblinzelte und die beiden Sängerinnen (daneben an Violine und Tasten) inbrünstig dagegenhielten. Und sympathisch war die Truppe (wie bei den Isländern ja so üblich) sowieso – vielleicht etwas gar nett. PS: Anschliessend zogen nicht wenige ins Treibhaus weiter, wo man noch den Schluss von Sinner DC auf Genf miterleben konnte. Ein wilder, verstörender, grandioser Ritt durch Elektro-Gitarren-Stimmen-Wolken zu einem Film. Strange. Seabear mit «Seashell»: [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=SYiYDgpjAF0[/youtube]