Von Pappkameraden, schönen Frauen und «richtigen Männern»

Bourbaki Luzern, 16.05.2014: Jeweils im Frühjahr organisiert Swissfilms, die Promotionsagentur des Schweizer Filmschaffens, die Kurzfilmnacht-Tour. Das Programm wird in mittlerweile bereits 23 Schweizer Städten gezeigt, letzten Freitag auch im Bourbaki und Stattkino Luzern. Zu sehen waren einige Highlights des Schweizer Kurzfilmschaffens des letzten Jahres und zwei Luzerner Premieren im Block Swiss Shorts sowie drei Themenblocks mit internationalen Produktionen. Das Kino war gut gefüllt und das Programm abwechslungsreich, wenn auch ohne grosse Überraschungen.

Besonderen Wert legten die Kuratoren auf den Lokalbezug des Programms. Der Abend begann deshalb mit zwei Luzerner Premieren, aber auch in den Blöcken «Swiss Shorts» und «Western» waren hiesige Produktionen zu sehen. Der kurze Animationsfilm «Timber» von Nils Hedinger erzählt vom Überlebenskampf einer Gruppe Brennholz. Um in der bitterkalten Winternacht nicht zu erfrieren, beginnen die Holzstücke, sich gegenseitig zu verfeuern. Ebenso konsequent wie die Geschichte zu einem bösen Ende führt, sind die Bilder in einem herzig-unschuldigen Kinder-Zeichentrickstil gehalten. Dies sei einerseits darauf zurückzuführen, dass er eben am besten auf diese Art zeichnen könne, sagt der Regisseur nach dem Film, aber andererseits natürlich ein sehr gewollter Kontrast.

Als zweite Lokalpremiere wird der Film «Pappkameraden» von Stefan Bischoff und Stephan Wicki gezeigt. Die Welt bleibt düster und ungerecht, die Menschen einander gegenüber feindselig und die bunten Jahrmarktstände nur eine Kulisse. Die Geschichte dreht sich um Neid, Missgunst und rücksichtslosen Wettbewerb und am Ende lacht am besten, wer zuletzt lacht. Die Machart des Films ist eindrücklich: Im surrealen detailbeladenen computergenerierten Setting bewegen sich reale Schauspieler als Protagonisten. Allerdings fand ich es inmitten dieses Gewusels bisweilen ein bisschen schwierig, der Geschichte zu folgen und herauszufinden, worum es denn nun eigentlich ging.

Das Swiss Shorts Programm bleibt erfrischend surreal und skurril: Ein einsamer Museumswärter wird von einer Riesenmaus verfolgt, eine unbedarfte Hausfrau wird unter Hypnose zum Star des Abends, eine unglückliche Kioskfrau schwimmt mitsamt ihrem Kiosk flussabwärts in den Sonnenuntergang und dann natürlich die extrovertierte Honigbiene, von der ich hier im Rahmen eines anderen Anlasses auch schon mal berichtete. Bemerkenswert war auch der letzte Film des Blocks: «Man kann nicht alles auf einmal tun, aber man kann alles auf einmal lassen» von Marie-Elsa Sgualdo ist komplett aus Archivmaterial zusammengeschnitten, die fiktive Geschichte dazu wird von einer Off-Stimme erzählt. Die Erzählerin ist eine junge Frau, die Anekdoten aus ihrer haarsträubenden Kindheit erzählt. Das alte Filmmaterial und die Form, wie die Geschichte erzählt wird, erinnert an Grosseltern, die von «früher» erzählen und berührt wahrscheinlich genau deshalb so stark. Ausserdem lässt die bruchstückhafte Erzählung viel Raum für eigene Bilder und Erinnerungen.

Der zweite Block des Abends widmete sich dem Thema Regenbogenfamilie. Möglicherweise lag es daran, dass die Auswahl an Kurzfilmen zu dem Thema nicht so gross sein mag, jedenfalls fand ich das Programm nicht besonders interessant. Meiner Meinung nach waren die Charakteren in den meisten Filmen zu Klischeehaft und die Geschichten zu einfach gestrickt. Der letzte Block hingegen hat sich zur Aufgabe gemacht, einige der alteingesessensten Klischees der Filmgeschichte auf die Schippe zu nehmen. Das Programm dreht sich ums Thema «Western» und spielt mit den dazugehörigen stereotypen Figuren und Settings. Auf alle möglichen Arten wird das Genre parodiert. Ein schnöseliger Videostudent will vom stadtbekannten Asphaltcowboy Angy Burri lernen, ein Cowboy (und «richtiger Mann») zu werden. In seinem Film «Der Cowboy und ich» dokumentiert Dominik Suppiger seinen Selbstversuch. Es gelingen ihm, einige ironisch-witzige Seitenhiebe auf das angestrebte Männerbild, aber auch einige Einblicke in die Geschichte und Lebenserfahrung des älteren Mannes, der natürlich eigentlich gar kein Macho ist. Alles in allem ein liebevolles Portrait des Stadtindianers. Was mich jedoch störte, waren die nicht sehr gut gesprochenen Off-Kommentare.

Auch der Animationsfilm «Wanted Melody» hat sich das Cowboy-Männerbild zum Thema gemacht. Doch hier wird die Sache ein bisschen weniger zimperlich ausgesprochen: Anstelle von Männern sind alle Protagonisten ganz einfach Schwänze. Eine witzige Idee, die sich aber nach einer Weile ein bisschen erschöpfte.

Auch die anderen Westernfilme zeichneten sich durch witzige Ideen oder ungewöhnliche Stilmittel aus: Eine Westerngeschichte, die nur anhand auf den Tisch gelegter Comiczeichnungen erzählt wird, zwei Pappcowboys die sich zum Duell getroffen haben, aber bevor sie anfangen können, von einem Windhauch umgeblasen werden oder ein unschuldiges Cowboy- und Indianerspiel zwischen Kindern, hinter dem sich aber eine traurige Wahrheit verbirgt.