«The Village» – Deerhunter im Südpol

Einst waren sie ein Geheimtipp, mittlerweile haben Deerhunter aus Atlanta den Indie-Olymp erklommen. Dies bestätigte auch das grosse Besucherinteresse in der gut gefüllten Südpolhalle gestern Montag. Und so waren alle gespannt, ob die Vorschusslorbeeren berechtigt waren.

«It’s a nice village», sagte Bradford Cox, Sänger, Gitarrist und Mastermind von Deerhunter zur Hälfte des Konzertes und meinte damit Luzern. (Vielleicht meinte er auch Kriens, aber diese Ortskundigkeit traue ich ihm nicht ganz zu.) Ein leises Raunen ging durchs Publikum. Doch hatte diese hagere Gestalt nicht Recht? (Cox leidet am Mahrfan-Syndrom, einer genetisch bedingten Schwächung des Herzens.) Jedenfalls, wenn man bedenkt, dass der Musikredaktor eines Luzerner Formatradios in Sachen Alternativkultur als Rufer in der Wüste agiert. Oder dass laut Kulturmagazin ein Verlangen nach «grossen Konzerten» von «grossen Bands» in Luzern besteht. Da schwingt ein wenig das traditionelle Schweizer Randregionen-Klagelied mit. Gestern kam die «grosse Band» und damit auch das grosse Publikum in die Kultur-Mehrzweckhalle. Als Support agierten übrigens Lower Dens aus Baltimore. Eine noch junge Band. (Ich könnte schwören, dass ich den Gitarristen während der grossen Pause hinter dem Sälischulhaus schon mal gesehen habe eine Zigarette rauchen.) Ihre Musik oszilliert zwischen urbaner Hipness und ruraler Hippieness und trifft sich zeitweise in Suburbia, um die postpubertäre Melancholie zu zelebrieren. Die meisten ihrer Songs sind noch etwas zerfranst und skizzenhaft, doch Stücke wie «Hospice Gates» geben Zuversicht, dass man auch in Zukunft noch von dieser Band hören wird. Den Einstieg machten Deerhunter mit dem epischen «Desire Lines» vom allseits hochgelobten aktuellen Album «Halcyon Digest». Der Song bringt die Qualitäten dieser Band gleich zum Vorschein. Der Song beginnt als catchy 60ies-Popnummer und ufert in ein duales Gitarrengewitter zwischen Bradford Cox und Lockett Pundt aus. Dieser Mix aus grossen Melodien und psychedelischer Tiefenpsychologie machen die Faszination ihres Sounds aus. Fehlt eines von beidem, kommen die Mängel zum Vorschein. Dann wirkt es eher beliebig und degradiert sich zu solider Wertarbeit. Dies manifestierte sich auch in ihrem Set. Irgendwie kamen nur noch Songs, die monoton und in netter Poppigkeit dahinplätscherten. Zeit für eine Zigarette. Und siehe da, ich war nicht allein draussen, einige teilten meine Meinung. Der zweite Teil des Sets war um einiges aufregender. Nun kamen die eher morbiden Songs wie «Helicopter», die nun auch in der grossen Halle mehr Wirkung zeigten als ihre poppigen Kleinode. Der Höhepunkt des Konzerts war der Song «He Would Have Laughed», den Cox als Reminiszenz an seinen verstorbenen Freund Jay Reatard geschrieben hat. Und so erfüllte der Abend doch noch, was er versprochen hatte. Am Schluss meinte der frisch gewordene Götti Remo Helfenstein euphorisch: «Es ist einfach schön zuzuschauen, wie die drei Musiker dem Meister (Bradford Cox, Anm. d. Verf.) den roten Teppich auslegen». Wie wahr. [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=G5RzpPrOd-4[/youtube]