Toter, Witwe, Geliebte, Mezger

UG, 12.04.14: Die Premiere von Daniel Mezgers «Nachruf» bildet das zweite von drei Stücken, die diesen Frühling im UG des Luzerner Theaters uraufgeführt werden. Ein packendes Drama mit überzeugendem Schauspiel, wundervoll in die Tiefe des Theaterkellers inszeniert.

(Von Flavio Marius / Foto: Ingo Höhn)

Die Raumteilung an diesem Abend war Ausdruck der Vielschichtigkeit dieses Stückes: Eine Dreiteilung in die Tiefe des Raumes schaffte unterschiedliche Handlungsebenen. Zuvorderst die trauernde Witwe mit ihrem Ex-Freund, die sich angesichts ihres Verlustes den Blicken der Allgemeinheit ausgesetzt fühlt. Eine thematische Parallele zur kürzlichen Uraufführung von Katja Brunner, die sich mit dem Aspekt der Individualität im Trauerprozess auseinandersetzte (wir berichteten). In der mittleren Ebene jene Figur, die den Autoren in seiner Situation des Schreibprozesses mit der stetigen Betonung vertritt, dass sich diese Erzählung auch ganz anders ereignen könnte. Die Geliebte des Verstorbenen, die als untröstliche Unbekannte die Beisetzung unerwartet aufwühlt, wurde zuhinterst platziert. Eine wunderbare Ausgangslage also für ein spannendes Drama, wäre da nicht die unmissverständliche Absage an runde Geschichten von Seiten des Autors. Dunkle transparente Vorhänge trennten nun die verschiedenen Handlungsebenen auf. Das schaffte nicht bloss Klarheit, sondern schuf Projektionsflächen für die zeitgleiche Übertragung von Bildern, die auf der Bühne eingefangen wurden. In einer fantastischen Installation trat die Geliebte Ann mittels Vorhang näher zum Publikum heran, wobei der Charme des Bildes besonders in der unverkennbaren Farbverzerrung des Videobildes und zusätzlich in der endlosen Rückkopplung der Projektion der Projektion lag. Ausserdem wurden die Figuren in den Filmbildern treffend in Szene gesetzt, sodass man sich zur selben Zeit im Theater und im Kino wähnte. Die Umgebung stimmte also; und das Schauspiel? Es hing hauptsächlich an den beiden weiblichen Protagonistinnen Mira (Juliane Lang) und Ann (Daniela Britt). Ihre Dialoge waren natürlich unterhaltend verfasst, mit einer Prise schwarzem Humor, um der Situation gerecht zu werden. Doch war es in erster Linie die Klarheit der Sprache, die die Stärken der Figuren betonte, aber auch ihre Schwächen im Moment der Enttarnung preisgab, und eine Nähe schaffte, die durch die Schauspielerinnen unterstützt wurde. Vielleicht wollte Daniel Mezger hier keine runde Geschichte erzählen, doch er hat ein sensibles Gespür für ein Drama, dessen Wirkung eben nicht in einer eingängigen Vermittlung des Erzählstoffes liegt, sondern in der Konstellation der Figuren. Nach und nach ergab sich durch Einzelheiten aus dem Leben der Beteiligten ein facettenreiches Gesamtbild. Die Spannung des Stückes reichte soweit, dass man sich beinahe wünschte, es würde nicht enden. Leider brach dieser Bogen urplötzlich mit dem Öffnen der Vorhänge und der Vereinigung der Handlungsräume ab. Ein frühzeitiges Ende hätte dieser Inszenierung vielleicht besser gestanden. Natürlich konnte auf diese Weise eine runde Geschichte vermieden werden. Doch geschah dies nicht im Einklang mit dem Fluss der Aufführung, sondern gewaltsam.