Synthesizer, Space und Synästhesie

Schüür, Luzern, 19.01.2018: Das Schweizer Elektro-Duo OY erzählt mit einer Mischung aus futuristischer und exotischer Musik von einem fernen Planeten, in einer fernen Zeit. Eine psychonautische Reise.

 

Es ist zu einer seltenen Kunst geworden, an Konzerten Welten zu erschaffen, eine einheitliche Geschichte zu erzählen. Nur wenige Bands versuchen einen konzeptionellen Rahmen über diesen Zeitraum von irgendwo zwischen einer und zwei Stunden zu spannen. OY ist eine davon. Die Band entdeckt mit dem Publikum zusammen einen fernen Planeten, «Space Diaspora» (gleichzeitig auch der Name ihres aktuellen Albums), dessen verschiedene Facetten sie in ihren Liedern beschreiben.

Es ist ein chaotischer Planet, ein Planet auf dem es schon mal vorkommen kann, dass man beim Beamen im falschen Körper landet, was dort aber keine Rolle spielt. Es ist ein futuristischer Planet. All die Dinge, die auf der Erde für Kopfzerbrechen sorgten, sind fast schon vollständig vergessen. Nur noch vage erinnert man sich an all die Probleme, all den Stress, all die Sorgen, die dort vorherrschten. Auf «Space Diaspora» gibt es sie nicht. Man tanzt, liebt, erzählt sich Witze, ist chaotisch, und dann wieder entspannt.

OY1

Genau so ist auch die Performance von OY. Das in Berlin stationierte Schweizer Duo setzt sich aus der ghanaisch-schweizerischen Joy Frempong und dem mysteriös-maskierten Lleluja-Ha (alias Marcel Blatti) zusammen. Die beiden spielen einen Mix aus elektronischen, futuristischen, spacigen Beats und tribalistischer, exotischer World Music. Frempong spielt mit den Synthesizern und singt. Dabei wird ihre Stimme immer wieder geloopt, verzerrt und hallen gelassen. Lleluja-Ha hilft hin und wieder an den Synthies aus, aber die meiste Zeit sitzt er hinter dem Schlagzeug. Die riesige Maske lässt ihn unnahbar scheinen. Wie ein stummer Schamane spielt er das wohl älteste Instrument überhaupt. Er trommelt intensive Rhythmen, als sei das Schlagzeug sein einziger Weg zur Kommunikation.

Der Sound von OY fühlt sich gross und geräumig an. Nur der grösste Lebenshasser und Misanthrop kann bei dieser Musik still stehen. Alle anderen lassen sich von den Melodien mitreissen.

 

Der Gedanke, dass man völlig high in einem Zelt hockt und in eine rituelle Trance gezogen wurde, ohne sich daran erinnern zu können, schleicht sich ein. Ist man noch in der Schüür? An einem halluzinogenen Ritual? Oder tatsächlich auf «Space Diaspora»? Spielt es überhaupt eine Rolle?

OY2

Es ist eines dieser Konzerte, an denen man traurig wird, nicht an Synästhesie zu leiden. OY breitet einen dichten und üppigen Soundteppich aus, den man nur allzu gerne schmecken würde. Aber für visuelle Eindrücke zumindest ist gesorgt. Es ist eine bunte Show, in der die Projektionen hinter den Musikerinnen und Musikern jedes Lied unterstützen, und wahrscheinlich mehr zur Erfahrung beitragen, als man denken würde.

 

Und dann ist das Konzert vorbei. Man ist nicht auf «Space Diaspora», nicht in einem schamanischen Ritual, sondern in der Schüür. Mit der Aufforderung, «Space Diaspora», diesen magischen Ort, nicht physisch, sondern in seinem eigenen Inneren zu suchen, entlässt OY das Publikum. Ist es eine letzte schamanische Weisheit oder reine Plattitüde? Und spielt das überhaupt eine Rolle?