Puttin’ the Sex back to Rock ’n’ Roll? Auwää! – Devil Doll im Sedel

Es war ja ein hübscher Flyer, und die Ankündigung versprach vollmundig, dass man den Sex wieder in den Rock ’n’ Roll stecke und überhaupt eine Mischung von 40er-Jahre-Swing, Rockabilly, Latin und Punk spiele. Pirelli ging also erwartungsfroh und neugierig in den Sedel – und fands bemerkenswert. Bemerkenswert fad.

Rund 80 Leute hatten sich an diesem Dienstag im Sedel versammelt, wo Bitxidenda zum Konzert von Devil Doll lud. Zu zweit waren wir gemütlich – und gratis wie stets – vom Sedel-Shuttle den Hügel hochgeschaukelt worden und hatten entsprechend aufgeräumt angelegt. Das Konzert, für einen Dienstag recht spät auf 22 Uhr festgesetzt, hatte schon begonnen, flugs also noch eine Zigarette geraucht vor der Tür zum Club; wie es sich für echte Amis gehört, hatte die Band auf Rauchfreiheit bestanden. Dann rein ins Vergnügen – das, wie sich schnell herausstellen sollte, kein solches war. Das Publikum, wie meist, wenn «Rockabilly» auf dem Plakat steht, war mehrheitlich einigermassen jung, aber gut aussehend und adrett gekleidet; all die Blue Jeans mit Umschlag, die pomadisierten Haare, die hübschen Kleidchen – halt wie es sich gehört.

Devil Doll, was sowohl Bandname wie Nom de guerre von Sängerin Colleen Duffy ist, haben ein klassisches Line-up: Sängerin, Gitarre, (unpassenderweise) E-Bass, Sax und Schlagzeug. Gespielt haben sie damit aber vornehmlich Covers, und dies nicht mal sonderlich gut. Es liess sich wenig stilistische Einheit in der Songauswahl ausmachen, das Spektrum reichte von Nancy Sinatras «Bang Bang» bis zu «Radar Love» von Golden Earring. Einheitlichkeit liess hingegen Sängerin Duffy spüren, die innerhalb ihres Registers – guttural 60er-mässig – durchaus gut sang, aber eben nur über dieses eine Register und einigermassen dezenten Stimmumfang verfügte. Gelegentlich wagte sie sich an ein Wanda-Jackson-Timbre, scheiterte dabei aber entschieden. Der Gitarrist spielte einen hübschen vintageweissen Les-Paul-Klon über einen Fender Twin Reverb, was aber keine Rolle spielte: Weder hatte er die Einstellung des Verstärkers im Griff, noch kratzte er im Sound auch nur annähernd an den Möglichkeiten dieses wirklich grossen Geräts – er verliess sich lieber auf Boss-Tretminen. Boss-Digital-Delay und -Overdrive/Distortion aber vermögen dem Reverb und der Röhrenzerre des Twin nicht das Wasser zu reichen. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass es wohl ein zur Verfügung gestellter Amp war und dass man, wenn man die Gitarre auf Kniehöhe trägt, wohl grungig aussieht, aber halt auch nicht so interessant und vor allem nicht artgerecht klingt, weil man die grosse Klangvariabilität der Les Paul nicht auszuschöpfen vermag – man kommt mit der rechten Hand nie auch nur in die Nähe der Bridge, kann also keinen Twang erzeugen. In Anbetracht dieser selbst auferlegten Beschränkungen machte er seinen Job recht ordentlich, wirkte dabei aber so gelangweilt wie der Rest der Band – von der barfuss auftretenden Sängerin abgesehen, die sich redlich um Show bemühte und durchaus ab und an mit Fächern wedelte oder auf den Schellenkranz schlug. Es war also nicht erstaunlich, dass der Funke nicht so recht überspringen wollte. Man hat all die Songs schon hundertmal gehört, davon mindestens zehn Mal in besserer Version. Nichts gegen Covers und darauf spezialisierte Bands! Aber wenn man sich schon daran versucht, sollte man eigene Fassungen verfertigen und nicht alles über denselben Leisten brechen. Das Konzert hinterliess den schalen Nachgeschmack eines nie eingelösten Versprechens. Da war weder Sex noch Rock ’n’ Roll – beides kam dann nach dem Konzert, als eine Rockabilly-Compilation von Altmeister Gössi in den CD-Player gesteckt wurde. Was die klinische Wirkung der Livedarbietung noch verstärkte. Merke: Man muss den Sex nicht in den Rock ’n’ Roll zurückbringen. Rock ’n’ Roll ist Sex – sonst ists kein Rock ’n’ Roll. Und dann noch dies: Die Auswirkungen des dräuenden Rauchverbots liessen sich erahnen – es stank nach Schweiss, verschüttetem Bier und Alkoholfahnen. Es ist verblüffend, wie schnell und wie stark eine Ansammlung von ein paar Dutzend Menschen zu riechen vermag. Schöne neue stinkende Nichtraucherwelt. Gar nicht Rock ’n’ Roll. Eine Freude hingegen einmal mehr der freundliche und schnelle Service an der Bar und das grossartige Angebot des Shuttle-Busses. Das kann nicht oft genug gesagt werden.