M*A*S*C*O*T*S I – Revolutionärer Plüsch im Rampenlicht

Wer kennt sie nicht, die Hassliebe zu diesen peinlich winkenden und überdimensionierten Plüschtieren in den grellen Farben ihres Fussballclubs? Maskottchen nennt man diese teletubbyartigen Glücksbringer, die einem bereits am Eingang jeder grösseren Veranstaltung gründlich die Laune verderben. Doch sie sind weit mehr als nur lustige Kerle im Pelzkostüm und lukrative Marketingstrategie. Maskottchen sind die plüschigen Verkörperungen unserer selbst. Gestern verwandelte die renommierte Theatergruppe Schauplatz International den Südpol in eine Anlaufstelle für gestrandete und ausrangierte «Mascots».

(Von Simon Meienberg)

In einem turbulenten Spektakel nahmen sich die Theaterschaffenden von Schauplatz International dem Phänomen Maskottchen an und rückten diese oft unterschätzten Persönlichkeiten ins rechte Licht. Wie es dazu kam? Das erzählen die Regisseure zu Beginn des Stückes in ausschweifender Manier, von der Initialzündung in der Nacht des Berliner Mauerfalls bis zu finanziellen Problemen, die zur schweisstreibenden Arbeit in den Hüllen eines flauschigen «Werbegwändle» nötigten. Nach dieser eher anstrengenden Phase wird das Publikum Zeuge eines ergreifenden Schauspiels. In den anschliessenden Handlungen befreien sich die Mascots «Smoony» und «Handball-Wicht» von ihrem jämmerlichen Schattendasein in den muffigen Kellergewölben ihrer Schöpfer. Sie wollen die Revolution, mehr sein als blosse Werbeträger der letztjährigen Ski-Meisterschaft – und sie meinen es erschreckend ernst damit. In der behaglichen Hütte von Santa-Claus finden sie Zuflucht, werden vom Professor und dem weissbärtigen Weihnachtspropheten auf Herz und Niere geprüft. Haben diese Phantasiegeschöpfe eine Eigendynamik? Besitzen sie Gefühle wie wir Menschen und können diesen in Emotionen Ausdruck verleihen? Welchem Geschlecht gehören sie an? Kein leichtes Unterfangen, denn die beiden Maskottchen wollen sich ihre stereotypischen «Winkewinke» und «High-five-Gestik» einfach nicht abgewöhnen. Was sich Anfangs als schwierig erweist, macht nach einigen Klangberieselungen und Filmexkursionen nennenswerte Fortschritte. Die Mascots wachsen im Verlauf des Stückes über sich hinaus, entledigen sich ihrer engen Pelzhülle und lehnen die ihnen eindeutig zugewiesene Rolle ab. Im Finale bedienen sie sich ihrer neu erworbenen Ausdrucksweisen in einem eigens eintrainierten Theaterstück. Das Publikum amüsiert sich prächtig und irgendwie wachsen einem diese pelzigen Kerle doch noch ans Herz. Nicht zuletzt als der Saal schliesslich von eingängigen Dub-Step-Beats beschallt wird und die Mascots freundlich zum Tanz auffordern. Ein überaus gelungenes Schauspiel, das mit viel Humor und Witz vom grauen Alltag in eine plüschige Realität entführt.

M*A*S*C*O*T*S II – Sie kommen nicht zur Ruhe, FR 1. April, 20 Uhr, Südpol