The Man In Black Comes Around

Zwischenbühne Horw, Samstag, 24.10.2015: Mehr oder weniger inspiriert interpretierte mehr als ein halbes Dutzend Bands bzw. Musiker an der Johnny Cash Nite Songs aus dem riesigen Fundus des 2002 verstorbenen Man In Black. Zwischen treu, respektvoll, ausufernd, roh.

Johnny_Cash_Promotional_Photo

Man kann es «nur» mit Gitarre und starker Stimme tun, so wie zum Auftakt des langen samstäglichen Song-Reigens Stefan Christen (Rudi Hayden, The Golden Chords). Wie alle andern sind ihm drei Songs gewährt. Darunter in seinem Fall «Solitary Man», eine Komposition von Neil Diamond, von Cash auf dem III. American-Recordings-Album mit eben dem Titel «Solitary Man» gesungen. Oder «(Ghost) Riders In The Sky», unter anderem auch von Cash bekannt gemacht, 1978, 30 Jahre nach dem Original, das ein gewisser Stan Jones geschrieben hatte. Es geht gleich weiter mit Martina Linn, die eben ihr neues zweites Album «Pocket Of Feelings» präsentiert hat (next stop in der Region: 21.11., Im Schtei, Sempach). In Horw spielt sie mit ihrer vierköpfigen Band Fremdmaterial. Dies im doppelten Sinn, augenscheinlich etwas beim Beispiel «One», in Cashs spätem Comeback-Werk seiner «American Recordings» zu finden, ebenfalls auf «Solitary Man» (2000). Martina Linn und ihre Mannen zeigen so, wie schön und gut der Song eigentlich ist, solange er nicht von U2 interpretiert wird (die haben ihn geschrieben, auf «Achtung Baby», 1991). Vorher zu hören ist das liebliche «You Are My Sunshine», das Cash in den legendären «Nashville Sessions» 1969 mit dem jungen Bob Dylan gesungen hat, in der Horwer Version mit akkuraten Chorgesang (von Gitarrist Christian Winiker und Bassist Andi Schnellmann) vernehmbar. Als nächster ist Richard Koechli an der Reihe, mehrfach preisgekrönter Blueser bzw. Filmkomponist («Der Goalie bin ig»). Sein Picking- und Slide-Spiel auf der Gitarre sind auch für Cash-Interpretationen anwendbar, in mitunter ausufernden Instrumentalpassagen, «Hurt», «Rusty Cage» sind zwei von drei Titeln, die Koechli zusammen mit Fausto Medici (Drums) und Heini Heitz (akustische Gitarre) zu Ehren des Man In Black spielt Patric Gehrig ist der Man In White, so gewandet führt er durch den Abend. Moderator Gehrig bringt Daten und Namen und zwischendurch auf Deutsch übersetzte Cash-Lyrics, «The Man In Black», das obskure «Chicken In Black» und «My Name Is Sue», das er zur Gitarre von Blind Butchers Christian Blind Banjo Aregger überraschenderweise gar singen wird («ein Versuch zwischen Scheitern und Singen»). The Backbeat Band kapriziert sich auf 1950er-Garagen-Rock, so wie ihn die Beatles Anfang der 1960er in Hamburg gespielt haben. Schön beschwingt-rumpelig, mit dem einzigen Kontrabass des Abends (Urs Gruber), etwa die, passend, 1950er-Cash-Nummer «Rock’n’Roll Ruby». Ein von Phil Küng montiertes Video zeigt Dutzende von Youtube-Versionen von «I Walk The Line», unfreiwillig komische Worldwideweb-Bilder (und -Töne) des Grauens. In die Pause entlassen wird das geschätzte Publikum ab Konserve mit Johnny Cashs Versuch, auf Deutsch zu reüssieren. Es ist die Schreckensversion von «Five Feet High And Rising» unter dem Titel «Wo ist zuhause Mama?», anno 1959 eingesungen nach phonetischer Textvorlage, was man leider nur allzu deutlich merkt. Eine köstliche Kuriosität. Blind Butcher heben mit einer Rezitation an. Es ist, wie auf Platte, Bibel-Text, Offenbarung Johannes (aka «Apokalypse»). Eine wunderbar eigenständige Interpretation von «The Man Comes Around» (Cash 2002). Es folgt, ebenso Gitarre-Schlagzeug-dringlich, «The Man In Black», dazu gibt’s «Don’t Take Your Guns In Town» (1958). So müsste ein würdiger heutiger Cash-Tribute-Beitrag tönen.

Johnny_Cash_-_I_Walk_the_Line

Who’s Elektra, die ihr vermeintliches Lost Album «Goddess Of The Universe» im Dezember in der Kegelbahn taufen werden, endlich, spielen in ihrem rohen Soundgewand die beiden Cash-Klassiker «Folsom Prison Blues» und «I Walk The Line», während «Heart Of Gold» nach Neil Young tönt. Ist ja auch vom alten Zausel, dem Cash spät die Ehre erwies, als er den Song zusammen mit Red Hot Chili Pepper aufnahm (zu finden auf dem posthumen «Unearthed», 2003). Bald naht das späte Ende. Noch vor Mitternacht treten Henrik Belden und Band an. Spät, weil der neue Gitarrist Gregor Heini am selben Abend in Liestal bei Sina bei einem ausverkauften Konzert zu tun hatte. Unter anderem, countryrockig im Klang, gibts «Hurt». Nachher war noch Disco. Nachtrag: «Er klingt, als stehe er am Feuer, im Tiefschnee oder in einem Geisterwald – die Coolness bewusster, unübersehbarer Kraft, wuchtig und unheildrohend. Johnnys Stimme war so gross, dass die Welt neben ihr zusammenschrumpfte, ungewöhnlich tief, dunkel und dröhnend. Worte, die Gesetz waren, hinter denen göttliche Gewalt stand.» (Bob Dylan)