Luzia von Wyl Ensemble – Throwing Coins

PlattenWechsler: Erfrischende Musik zum Beginn der frischen Jahreszeit. Im September veröffentlichte das Luzia von Wyl Ensemble seine zweite Platte. Nun, da es immer verlockender wird, sich einen Abend lang ins warme Bett zu kuscheln, wird einem mit «Throwing Coins» die Gelegenheit geboten, sich auf Reisen zu begeben, ohne sich zu bewegen – wenn man nur die Ohren öffnet und lauscht.

Eine mystische Melodie des Klaviers, die bald durch Schlagzeug und Marimbaphon rhythmisiert wird und somit eine ganz andere Stimmung erhält. Kurze Einwürfe der anderen Instrumente. Aufbau. Dann ein kollektiver Aufstieg, und doch jedes Instrument für sich. Das Schlagzeug zieht den groovenden Beat durch. Schnitt – nun wieder eine märchenhaft schöne Melodie. Und gleich wieder zurück, wieder eine lineare Bewegung, von den einen auf- und von den anderen abwärts, Energie. Eine treibende Basslinie, derselbe Beat, verschiedene unabhängige Melodien, die sich zu einem Höhepunkt alle vereinen. Dazwischen Soli, in total verschiedenen Stimmungen. Ruhe. Und dann wieder die mystische Melodie des Klaviers.

Luzia von Wyl Ensemble

Die acht Stücke bewegen sich zwischen Komposition und Improvisation, mal eindeutig das eine oder andere, mal lässt es sich kaum erraten. Komplexe Rhythmen und Harmonien reihen sich an ein paar Takte Walzer. Motive spielen in all den Stücken eine tragende Rolle. Melodien, Rhythmen, Grooves und Ideen werden immer wieder aufgenommen, von einem anderen Instrument, in einem anderen Zusammenhang, oder genau gleich. Zusammen mit den stimmungsmalerischen Klängen und vielen rhythmischen Wechseln, gibt das den Kompositionen einen ganz eigenen Touch. Dazu kommt die für den Jazz untypische Besetzung. Zu Schlagzeug, Bass und Klavier kommen neben einem Marimbaphon auch eine Flöte, ein Fagott, Klarinette und Bassklarinette, Violine und Cello hinzu. Diese Instrumente werden jedoch nicht nur in ihrer herkömmlichen Weise eingesetzt – die Saiten der Geige knarzen und die Flöte pfeift aus dem letzten Loch. Der damit kreierte Sound des Ensembles ist ungewohnt, anders, neu.

Mit all diesen Mitteln sind auf dem Album Momente und Geschichten eingefangen. Mit geschlossenen Augen eröffnen sich beim Zuhören fremde und bekannte Welten. Woher wohl die Stimmungen kommen? Klar ist, dass die Musik einen mit auf eine Reise nimmt. In eine andere Stadt, oder in die Welt eines Filmes oder Märchens. So erinnern gewisse Passagen, gerade wegen der Instrumentierung, fast an Teile von «Peter und der Wolf», wo die Instrumente Tiere darstellen. Das Fagott als mürrischer Grossvater? Könnte sein. Und im nächsten Moment spielt dasselbe Fagott ein atonales, quietschendes Solo, das bald darauf wieder ins Groovende, geradezu Jazztypische übergeht. So kommen in den Kompositionen sehr vielfältige, verschiedene Einflüsse zusammen, ohne dass sie je künstlich zusammengefügt oder auf eine unnatürliche Weise nebeneinander oder miteinander erscheinen.

Luzia von Wyl und ihrem Ensemble ist mit dieser Platte ein ganz besonderes Werk gelungen. Die zahlreichen Wechsel, Schnitte und Entwicklungen in von Luzia von Wyls Kompositionen halten die Spannung und Energie hoch. Jede*r einzelne der Instrumentalist*innen spielt in hoher Klasse. Die Solos, gekoppelt an die Kompositionen und die dementsprechend spezielle Vorlage, haben einen ganz eigenen Charakter. Doch auch in den Tuttipassagen blitzen immer wieder einzelne Instrumente hervor. Die komplexen Kompositionen, mit einer frischen Leichtigkeit gespielt, verhaken sich so ineinander, dass man sich dem Strudel der Musik kaum entziehen kann.

Luzia von Wyl Ensemble: Throwing Coins (2018, HatHut Recors)

Weitere Infos unter:
luziavonwyl.ch
luziavonwylensemble.ch

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