Liebe & Sex & Sehnsucht & Tod & Roger Federers Rückhand

Loge, 27.9.2011. Christian Uetz liest am Dienstag aus seinem Debütroman und beeindruckt einen komplett ahnungslosen Kulturteiler zutiefst.

Der Anruf fällt in die Viertelstunde zwischen Feierabend und 19 Uhr. Kollege Haller am Apparat. Er habe sich im Entlebuch verwandert (wer macht denn sowas?). Ob ich nicht einspringen könne heute Abend? Klar kann ich, wollte ja eh hin. Nur, plötzlich die Erkenntnis: Ich habe keine Ahnung, wer Christian Uetz ist. Wieso bloss nicht? Eine Frage, die sich auch nach der Lesung noch stellt. Eine Blitzrecherche ergibt untere anderem einen Artikel von Pablo Haller (der schon wieder). Scheint’s, der Uetz hat letztes Jahr schon Ähnliches gelesen wie heute. Aber die Frage nach dem Verlag hat sich geklärt. Der Secession-Verlag veröffentlichte dieses Jahr Uetz’ Debütroman «Nur Du, und nur Ich», jenen wahnsinnigen Text über eine einseitige Liebe zwischen dem abdrehenden Sprachphilosophen und dem Objekt seiner Sehnsucht, einer Dame, für die alles mit der Routine zur Unmöglichkeit verkommt. Uetz trug auswendig vor. Und zwar spektakulär. Mit vollem Körpereinsatz, in der Betonung sehr nuanciert, mitreissend und mit nur sehr wenigen Versprechern. Die Versprecher kamen allerdings derart charmant, dass sie fast schon als gut getimte Wellenbrecher in Uetz’ rasanter Wortflut dienten. Das hohe Tempo verlangte viel Konzentration. Diese aufzubringen, war es aber mehr als wert. Denn neben dem Vortrag war auch der Text selbst bemerkenswert. Mit viel Liebe zu Satzumkehrungen und zugleich Sinnverschiebungen (etwa: «die Vollkommenheit ist ein Verbrechen gegen die Schwächen, bis die Schwächen selbst vollkommen werden»), einer gut dosierten Portion Schund und Kalauer («Und da spüre ich mich stinken aus dem Arschloch und finde mich zum Erbrechen beschissen») und dazwischen immer wieder auf den Punkt formulierte, schöne Sätze, wie: «Alles hat sich an dir in alles abgelöst.» Sehnsucht zusammengefasst, Punkt. Die Lesung ergab letztlich einen Querschnitt durch das Werk, der es mir nicht ermöglichte, ohne das Buch in der Tasche den Heimweg anzutreten. Man will schliesslich wissen, wie genau die Schritte von Zweisamkeit zu zunehmend wahnsinniger Sehnsucht zu der Lust am Tod durch eine Überdosis Orgasmus bis hin zum dem nicht vorgebildeten Zuhörern auch nach der Lesung unbekannten Ende ablaufen. Als Zugabe gab es ganz intim vor der bunten Tapete zur Rückhandseite (falls man Rechtshänder ist) des Einganges Schwärmereien über Roger Federer, jenen, der den Funken des Göttlichen für alle zugänglich macht. Zumindest einen Teil des Textes als Parodie auf die Übertreibungs- und Umschreibungswut gewisser Sportjournalisten anzusehen, scheint angesichts der anschliessenden ernsthaften Diskussion über Roger Federer allerdings haltlos gewesen zu sein. Änyway: Eine grossartige Lesung. Wäre jetzt bitte noch jemand so freundlich, mir zu erklären, warum der Kerl nicht berühmt ist?