Larmoyanter Synthpop mit Eigenwert

Treibhaus, 24.5.2014: Gestern Abend überzeugte Hugo mit Crew im Rahmen der Treibhausreihe «Kopfkino – der alternativen Gay-Plattform mit eigener Party». Geboten wurden abwechslungsreiche Melodien, farbige Leinwandprojektionen und eine immense Portion authentischer Sentimentalität.

(Von Tiziana Bonetti)

Eine Sumo-Ringer-Frisur und Jeans-Overall gehören wohl kaum zu den äusserlichen Attributen, die man/frau – um es jetzt doch mittels einem Klischee auszudrücken – mit einem urchig-patriotischen Urner in Zusammenhang bringen würde. So vermutete man gestern Abend bei Tobias Oderbolz, der alias Hugo durch die Schweiz tourt, keineswegs einen gebürtigen Altdörfler auf der Bühne performen zu sehen und zu hören. Vergebens hatte man beim zartbesaitet anmutenden Hugo nach urchigen Erscheinungsmerkmalen Ausschau gehalten. Stattdessen affizierte Hugo sein Publikum im Treibhaus mit larmoyantem Synthpop und Bildprojektionen auf einer Leinwand. Hugo selber umschreibt seine Musik mit dem Wort «EmoPop» [1], womit er wohl auch auf seine Songtexte anspielt, die von Selbstzweifeln, Selbstfindung, Tod, Liebe und Herzschmerz handeln. In seinen Texten verarbeitet Hugo das eigene Leben, weswegen seine Songs nicht zuletzt auch sehr persönlich gefärbt sind. Gestern Abend mischten sich teils live produzierte, teils eingespielte melodiöse Klangwelten mit schwebendem Charakter unter rhythmische Electrobeats. Hugos hochsensible Musik lebte von Tragik und Melodramatik. Auch bei den «härteren»  Songs schwang der traurige Grundtenor wie ein Leitgedanke konsequent mit. Genauso monoton war leider Hugos Stimmtimbre, obwohl seine Songs den Künstler geradezu dazu eingeladen hätten, diverse Stimmlagen und – Klänge auszuprobieren. Der Anfang des Konzerts, den Hugo und seine doppelköpfige Crew (Ruedi und Miriam) mit schlichten Balladen bestritt, hätte ruhig poppiger und rauer daherkommen dürfen. Vielleicht erklärt das auch, weswegen sich die Aufmerksamkeit des Publikums nach dem schläfrigen Konzertbeginn zu Recht entlang einer steilen Aufwärtskurve bewegte. Hugos Musik ist höchst authentisch und doch betritt er Terra Cognita: Synthpop steht momentan hoch im Kurs, vielleicht könnte sogar von Trendmusik die Rede sein. Dennoch wäre es verfehlt, Hugos Musik als Mainstream abzustempeln, auch wenn einige Melodien (z.B. der Refrain in «Fall») etwas gewöhnlich daherkommen. Dass sich Hugo gestern Abend mit seinen Songs in die Herzen des Publikums einsingen konnte, erstaunt bei seinem Charme und seinem verschmitzten Lächeln, zwischen das sich plötzlich wieder etwas bübisch-laszives mischte, nicht: Gerade Hugos Schüchternheit und die Tatsache, dass er mit seiner Musik Verletzlichkeit offenbart, machten ihn für das Publikum nahbar. Es entstand eine emotionale Symbiose zwischen Hugo und seinen Hörern. Man könnte meinen, der Künstler aus Uri habe mit seinem bodenständigen Auftreten und seiner Musik nicht nur den akustischen Nerv der Zeit getroffen, sondern zugleich eine unverkennbare Marke mit Eigenwert geschaffen.


[1] Siegrist, Ledwina: I am not Hugo – we are all, in: Milchbüechli, Nr 7.