Klamauk in der Beiz

Restaurant Tell Bürglen, 11.05.2016: Bei «Zwing Uri – Tell my ass» werden Witze auf Kosten der Urner gemacht und die Geschichte Wilhelm Tells sehr absurd adaptiert. Die Humoreske auf Beizentour ist schlichtweg grossartig!

Im Saal des Restaurants Tell werden die über 100 Theatergäste langsam unruhig. Um 19.30 Uhr sollte es losgehen mit dem Stück, aber das Znacht wurde ja nicht mal serviert. Halbliter Eichhof, roter und weisser Wein werden geleert. Immer wieder der suchende Blick nach Schauspielern, der von den Brockenhausbildern an den Wänden angehalten wird. Wohin soll man überhaupt schauen? Eine klassische Bühne gibt es nicht, denn es wird im ganzen Raum gespielt. Gehört das Servicepersonal vielleicht auch zum Stück? Das Essen kommt: Siedwurst und Risotto. «Möchted sie chli Senf dezue?» Gerne, ja. Ein Lockenkopf mit einem Charaktergesicht à la Vincent Cassel tigert am Buffet rum. Nervös läuft er hin und her, blättert durch Klatschblätter. Dieser Mann ist Andri Schenardi und einer von drei Schenardis, die bei «Zwing Uri – Tell my ass» mitwirken. Andri spielt Tom, ein deprimierter Urner Beizenbesitzer, der mit seiner Freundin im Hof an einer Rakete bastelt. Seine Freundin heisst Jerry, gespielt von Danijela Milijic. Sie ist eine Immigrantin und serviert in Toms Beiz. Die Blondine jagt Tom durch die Beiz, denn sie will Sex. Er weist sie ab, weil es zu tun gäbe oder ihm seine toten Eltern die Laune vermiesen oder weil er einfach keine Lust. Jerry zapft Bier und bringt es der Theatergruppe, die im Sääli den Tell probt. Regisseur dieser Gruppe ist übrigens Tom und Toms Bruder spielt in dieser Gruppe den Wilhelm Tell und Gessner zugleich. Wie Toms Bruder heisst, ist mir entfallen. Oder hat er gar keinen Namen? In Echt nennt man in auf jeden Fall Matteo Schenardi. Er hat Regie geführt bei «Zwing Uri – Tell my ass» und ist auch in echt der Bruder von Andri Schenardi. Der dritte Schenardi im Bunde ist übrigens Luca. Er war für die absolut passende und witzige Grafik des Stücks verantwortlich.

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Toms wahre Leidenschaft gilt aber nicht dem Theater, sondern der Rakete. Mit dieser will er und Jerry flüchten und die Urner hinter sich lassen. Mit seiner Rolle als Beizer ist er nicht glücklich, da er diesen Job auch nur macht wegen seinen Eltern. Diese sitzen übrigens als Skelette an einem Tisch und gehören zu den wenigen Requisiten, die im Stück zu sehen sind. «Zwing Uri – Tell my ass» braucht auch keinen Firlefanz, die Sprache und viel Wortwitz reichen völlig. Zurück zur Rakete: Sie illustriert das Fernweh, die Sehnsucht, den Urner Talboden zu verlassen. Das Thema passt zum Kulturprojekt der Albert Köchlin Stiftung. Aber warum könne man nicht einfach den ganzen Kanton in die Rakete packen und sie würden bleiben, fragt Tom rhetorisch. Tom kommen Zweifel auf, kann sich nicht vom Radio losreissen, das ständig vor sich hinplätschert. Aus der Konserve erklingt Heimatgefühl und eine grossartige Soundcollage von Die Gebirgspoeten. Moderationen wie «das esch no es Juzi usem Spoitzbach» oder eine psychologische Wettervorhersage, die Regen für den Kanton Uri fürs ganze nächste Jahr voraussagt, wegen Minderwertigkeitskomplexen der Urner, sind beste Unterhaltung. Toms Zweifel aber vergehen und mit der Hilfe eines NASA-Ritters (gespielt von Ueli Schnegg, der im Stück auch noch die wunderbare Rolle des nervenden Gemeindepräsidenten innehat) gelingt der Start der Rakete. Was bleibt zurück? Sehr gute Leistungen der Schauspielenden, viele Lacher, Witze von Urnern über Urner und eine tolle Beizenstimmung. Ach und ja, geschrieben hat das ganze Matto Kämpf. Der Berner ist ein Gütesiegel für Humor.

Wer das Stück sehen will, sollte sich ein Ticket reservieren, denn viele Vorstellungen sind bereits ausverkauft: www.theater-uri.ch