Im Staub

UG des Luzerner Theaters, 07.05.14: Nahkampf von Sabine Harbeke bildet den letzten Teil der drei Uraufführungen im UG. Ein aufgeladener Dialog am Grenzposten in zweifacher Ausführung.

(Von Flavio Marius)

Für einmal entfaltet sich das Schauspiel nicht in die Tiefe des Theaterkellers, sondern ganz klassisch der Breite entlang. Man selbst sitzt an der langen Wand entlang platziert. Dabei bleibt gerade nur so wenig Distanz zum Geschehen, dass der Kopf ständig in Bewegung bleibt, um dem Gespräch der Figuren zu folgen. Dieses handelt vom ungewissen Verbleib der Mutter am Grenzübergang und beschwört darin unausgesprochene Familiengeschichten herauf, wie sie zahlreiche Biographien prägen. Eher ungewöhnlich an diesem Abend dagegen ist, dass dem Publikum zweimal dieselbe Geschichte vorgespielt wird, paarweise mit unterschiedlichen Darstellenden. Das mag im ersten Moment verständlicherweise etwas unnötig klingen. Als dann aber dem zweiten Paar nach einer kurzen Pause die Bühne überlassen wird, werden allfällige Zweifel sogleich aus dem Weg geräumt. Der stellenweise identische Dialog lebt mit dem Figurenwechsel neu auf und es treten bis anhin ausgeklammerte Emotionen zum Vorschein. Ein Stück, so betont auch die Autorin, lebt eben davon, wie es gespielt wird. Das wird hier eindrücklich bewiesen. Das Schauspiel pendelt stark zwischen wütender Ohnmacht gegenüber der nationalstaatlichen Grenze und liebenswerter Nostalgie, hervorgerufen durch das Wiedersehen der beiden Figuren. Besondere Aufmerksamkeit wurde offenbar der Körperlichkeit der Schauspielenden geschenkt. Ihre innere Anspannung, die sie zu zerbersten droht, äussert sich in ungewohnten, aber dennoch ausdrucksstarken Gesten. Unentwegt ist da Bewegung, teils entspannt, oftmals jedoch in ausgesprochen aggressiven Entladungen. Ob das Geschrei diese Wirkung tatsächlich verstärkt, sei dahingestellt. Überraschender war schliesslich die sprachliche Vielfalt bei Zimmerlautstärke. Das rohe und heruntergekommene Bühnebild mag die Hoffnungslosigkeit des Stückes unterstrichen haben, bleibt jedoch angesichts der Tiefe der Handlung zu blass. Dagegen schafft das Licht eine eindrucksvoll verträumte Stimmung. Von gegenüber strahlt nämlich immer wieder ein Licht der Dämmerung den Darstellenden entgegen; die Ruhe vor dem Sturm. Und dieser hat es in sich. Die Reihe der Drei Uraufführungen im UG des Luzerner Theaters brachte drei frische Werke aus den Federn junger Schweizer AutorInnen auf die Bühne. Es waren eigenwillige Stücke, nahe an Sprache und Literatur angelegt, die ideenreich inszeniert wurden. Sicherlich sehenswert, alle zusammen oder eines, das den Geschmack trifft. Alle drei Stücke laufen nach wie vor im UG.

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