«hau drüberabe!» oder Ländler à go-go

Schon wieder «Swissness» wie allenthalben und epidemisch auf Leinwänden, Konzert- und Theaterbühnen! Möchte man ausrufen. Aber das unvergleichliche Musiktheaterprojekt (inklusive Projektionen, animiert) mit dem Titel «Kapelle Eidgenössisch Moos» versöhnt bei allfälligen Abwehrreaktionen. So lassen wir uns «Swissness» allzu gerne gefallen. Im Kleintheater.

Kleintheater, 26.1.12: Etwas gstabig, eher wenig unkompliziert richten sich da drei ein auf der Bühne. Stellwände, die wandelbar noch Wundersames möglich machen werden, werden platziert und positioniert, es wird eingeblasen (Klarinette, Bassklarinette) und zurechtgerückt. Bis es losgeht. Ja womit denn? Die drei – Ruedi Häusermann,  Herwig Ursin, Jan Ratschko (der letzte ein Tüütscher) – bilden das Trio Kapelle Eidg. Moos. Und wie der Name erahnen lässt, ist Volksmusik angesagt. Sie sind bewährte Musikanten (in Tat und Wahrheit natürlich unaufdringliche Virtuosen) mit einem Auftrittsabo beim jährlichen Unterhaltungsabend. Als das Telefon (ein altes an der Wand) läutet, ist das Schweizer Farbfernsehen dran. Sie sagen ab, weil sie Prioritäten haben. Noch unwissend, dass das OK dieses Jahr Neumodisches wählen wird. In Gestalt eines einzigen, der ein XLR-3000 hat. Das Keyboard kann alles, automatisch. Die Tragik des Trios: gleichsam wegrationalisiert zu werden. Wo die drei doch extra ihr Repertoire erneuert haben, partiell. Das Müsterchen-Spiel durch den Telefonhörer, bei dem sie OK-Mitglied Heinrich – er wird auch mal mit dem rohrenden Töff kurz vor dem Fenster halten – ein kleines «Best of» präsentieren, nützt nichts. Er hat schon längst abgehängt, als sie es endlich merken. Der Besetztton ist dann Gelegenheit, um von diesem Grundton her sachte zu singen.  «Kapelle Eidg. Moos» ist Theater mit Musik oder umgekehrt. Mit Einfällen, wie man sie so noch nie gesehen (und gehört) hat. Vergesst «Visuals» – hier wird bewiesen, wie viel Animationspotenzial im Medium Hellraumprojektor steckt und, wenn mans kann, auch ganz grossartig eingesetzt werden kann. Da kann ein Fenster aufgehen und können Blumen aus den Töpfen spriessen (wenn man sie noch mit statischer Kanne giesst, umso besser). Es kann schneien am Berg zu «La haut sur la montagne». Servila-Senf, auf den Projektor geschmiert, ergibt einen Berg, auf den an der Wand das beleuchtete Bähnli hinauffährt. Und in der Nacht rasen zwei Autos die Bergstrasse hinab. Musikalisch die Novität des Chorverdopplers qua Kopflautsprecher, wo bei Personalmangel Vielstimmigkeit möglich wird, z.B. fürs schöne «hau drüberabe!». Dazu auch Literarisches: Wiederholt kommt mit kulinarischen Kurztexten der grosse Robert Walser zu Wort, derweil der Solothurner Dialektautor Ernst Burren ab Kassettenrekorder zum Einsatz kommt für eine Art Mundartsprachkurs für Nicht-Einheimische («emu», «äscho», «öppede»). Es wird ausser musikalisch, theatralisch, literarisch, kulinarisch, animatorisch und hörspielerisch dann auch noch tierisch: Ein Schaf tritt auf und ein ausgewachsenes Showpferd mit Namen Macarena führt ein Kunststück vor. Vor allem in der Vorführung von angeblichen alten Bräuchen – «Bräutigamschau Val Sugana», «Trüll Masollke» – aus allerlei Landesteilen entfaltet sich feiner, verschrobener Humor, eine Vertracktheit auch. Wie das Ganze kurzum von allergrösster Köstlichkeit ist.

apelle Eidg. Moos, Kleintheater Luzern, Fr/Sa, 27./28.1., 20.00