Getanzte Innenwelten

 Südpol Luzern, 25.5.2016: Tanzen können die – das wissen die regen Besucher_innen der Tanzaufführungen des Luzerner Theaters. Doch wie sieht es aus, wenn das Tanzensemble die choreographischen Fäden selber zieht?

(Fotos: Ingo Höhn)

Bei den jährlich stattfindenden «Dancemakers Series» ist der Name Programm: Die Tänzerinnen und Tänzer werden zu Tanzmachenden. Dies sei eine gute Möglichkeit, sich in choreographischem und dramaturgischem Können zu üben. Auch der agilste Körper wird einmal älter. Ein zweites Standbein aufzubauen ist da keine schlechte Idee, meint Lucie Machan, Dramaturgin und Company-Managerin der Tanzabteilung des Luzerner Theaters.

Doch scheint die Motivation nicht nur pragmatischen Ursprungs zu sein: Die Tanzschaffenden schätzen diese Eigenständigkeit. «Es ist schön mal was komplett Eigenes, Inneres einfliessen lassen zu können», erzählt Rachel P. Fallon, Tänzerin am Luzerner Theater. Innerlichkeit als Leitmotiv ist dabei sicherlich nicht zu weit gegriffen. In jeder Passage wird ein Stück Innenwelt sichtbar. Ausgeschlossenheit, Gefangensein zwischen Realität und Traum, Einsamkeit – allesamt Gefühle, die die sprachliche Artikulierbarkeit herausfordern.

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Der bewegende Körper schliesst an diesem Abend die Lücken des Sagbaren. In «You’re Not Alone» von Davidson Farias zeigt sich die Zerrissenheit zwischen dem «Selbst» und der wandelnden Vorstellung davon. Sehr anschaulich wird dieser Zustand durch zwei Tanzende (Aurélie Robichon und Juan Ferré Gómez) inszeniert, die zusammen ein Ganzes bilden. Mal sind die Bewegungen entgegengesetzt, mal synchron. Mal ruckartig, dann wieder fliessend. Sie wirken gesteuert von einer überdimensionalen Kraft.

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Ein Pendant hat auch Mercédes Maria Christina Go – diesmal auf Leinwand. Sie schleicht herum, bewegt sich simultan mit ihrem zweiten Selbst auf dem Bildschirm. Dieses befindet sich im Wald, wirkt verloren. Die Bewegungen sind befremdlich, wild. Die weissen Pupillen verstörend. Das Subjekt auf der Suche nach einem «inneren Zuhause». Björks «Hunter» untermalt die Düsterkeit dieser kurzen Performance.

Die getanzten Gefühlswelten werden dreimal durch kleine Ballett-Passagen aufgelockert. So luftig leicht wie das Seidenhemd, dass sie tragen, tänzeln Eduardo Zúñiga und Richèl Wieles zu «Tip Toe Thru’ the Tulips with Me» (Achtung, Ohrenwurm!). Mit pathetischen Gesten parodieren sie sich dabei selbst als Balletttänzer(innen).

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Dieser Turn funktioniert, da die vorangehenden Sequenzen eher komplex und tiefsinnig sind. Das Publikum kommt an diesem Abend mit unterschiedlichen choreographischen Handschriften in Berührung. Dies ist spannend, denn so werden die vielen Feinheiten sichtbar, die die Thematik des jeweiligen Stückes ausmachen. Mit minimalen Mitteln stellt das Tanzensemble eine abwechslungsreiche Aufführung auf die Beine. Das Amüsement dabei scheint gross – auf der Bühne sowie im Zuschauerraum.

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Dancemakers Series #7 kann man noch vom 2. bis 17. Juni (jeweils 20 Uhr) im Südpol Luzern sehen.