Gestöhnte Gesellschaftskritik

PlattenWechsler: Bier, Schweizer Pop, gestöhnte Gesellschaftskritik – passt irgendwie nicht so wirklich zusammen, eh? Doch genau diese Begriffe vereinen Al Pride lasziv, intelligent und cool. Trotzdem bleibt ein Aber. 

Es ist so eine Sache mit Al Pride. Die Badener Band liefert mit Konstanz tolle Musik und könnte ohne Weiteres im Gebühren- sowie Privatradio laufen, ohne sich auf den dort laufenden Dudelseich einlassen zu müssen – Radiomukke mit Anspruch sozusagen. Und sie könnte klassische Grossbühnen wie Güsche, Gallen und Co. träumen lassen, ohne den Charme für kleine Locations missen zu lassen – Festivalmukke mit Clubcharme sozusagen. Dorthin, wo sich talentierte Gesellinnen* und Gesellen* wie James Gruntz oder Steffe la Cheffe mehr oder weniger hinbewegen, hat es Al Pride aber trotzdem nie geschoben. Die Gruppe ist nach wie vor ein Geheimtipp, eine Lokalgrösse in ihrem geliebten Baden und darüber hinaus ein Haufen talentierter Menschen, deren grosse Stunde erst noch kommen wird.

asdfdsafsadf
Bild: Lea Huser

Dabei stimmt doch schon so vieles auf dem Blatt, Verzeihung, dem Screen vom SmartDevice: Die Social-Kanäle werden ordentlich mit Content bespielt, der Sound entsteht in einem intelligenten Mix aus anspruchsvollem Homerecording sowie Studioeinsätzen und punkto Marketing hat band sich ebenfalls Gedanken gemacht: Die im April veröffentlichte EP «Spruce» gab's als limitierte Bier-Edition, fein, feiner, Fichtenspitzenbier! Und diese Ideen fruchten: Beim schwedischen Streaminggigant wurden mit der ersten Studio-Session-Single «Kalif Onya» knapp eineinhalb Millionen Plays eingefahren, unter anderem dank geschicktem Ausnützen der Algorithmen. Zuerst waren die Singles online, welche zu einer EP verdichtet wurden, und diese wiederum wurde ins kürzlich erschienen Album «Sweet Roller» einverleibt – süsser das schlaue Streaming nie klingelt (Erfolgsquote trotzdem schwankend). Okay, okay, so weit, so gut, aber über den bisherigen Zeilen schwebt doch ein ständiges Aber, kann das sein? 

Ja und nein. Ja, weil Al Pride trotz ihrer vielen guten Aktionen nur schon in Zahlen gemessen noch nicht die verdiente Aufmerksamkeit erhalten ausserhalb ihrer Heimat (wo die die Gigs jeweils ausverkauft sind). Nein jedoch, weil schon jetzt so viel intelligentes Gedankengut in dieser Band passiert. Darum: Die grosse Stunde wird erst noch kommen. Stellt sich die Frage: Wann? Vielleicht nach respektive während der kommenden Tour, die trotz der bekannten Umstände durchgezogen wird? Stillt Al Pride den Hunger der Konzerthungrigen, Verzeihung, -dürstenden mit Gigs in einer Zeit, wo Gigs rar sind? Hier im Live-Business also ist die grosse Spannung enthalten – hier entscheidet sich, ob «Sweet Roller» funktioniert oder nicht. Gutomuto, aber was hat es denn nun mit dieser Platte auf sich? 

sdfdasfsfafas
Bild: Natascha Vavrina

Machen wir's kurz: «Sweet Roller» ist ein verdammt gutes Schweizer Pop-Album geworden und zeugt als weiterer Beweis, wie Al Pride sich stetig weiterentwickeln und  dranbleiben – eine Seltenheit in der hiesigen Szene! Musikalisch zelebrieren die acht Tracks ein ausgeklügeltes Soundverständnis, die Tracklist klingt aufgeräumt, abwechslungsreich und catchy, es gibt die Ballade, den Groover, die Up-Tempo-Nummer. Dort eine Akustik-Klampfe, da kluge Beats und hier der absolut herrliche Einstieg, von dem Teile auch als Soundtrack für ein ganz grosses japanisches Rollenspiel eingesetzt werden könnten. Hinzu kommt ein Artwork vom Luzerner Künstler Luca Bartulovic, also kurz: toll! Lediglich die gesangliche Stöhn-Ästhetik von Co-Fronter Nico Schulthess irritiert zu Beginn, gliedert sich aber nach ein, zwei Hörgängen gut ins Gesamtbild ein. Das achtköpfige (!) Bandgefüge verteilt sich dabei präzise auf Alternativaufgaben und wirkt eingespielt sowie rund. Stellenweise klingt das zwar alles gar sauber, aber hier liegt denn auch wieder Potenzial für den Live-Gig: Kriegen Al Pride ihre Laszivität, ihre Coolness und ihren Dreck auch auf die Bühne? Wirken ihre Statements und Schlauheit, die sich nebst der Musik in den gar nicht so braven Lyrics und Videos widerspiegeln, in den Konzertsälen? Und kriegt das Publikum mehr zu hören und zu sehen als eine 1:1-Übersetzung der Platte? Die Spannung steigt! Das Schutzkonzept ebenso. Wir wünschen viel Freshness, Erotica und Spass!

Al Pride: Sweet Roller (Radicalis)

Al Pride, Little Fellow
DO 3. September, 20 Uhr
Konzerthaus Schüür, Luzern