Frühchinesisch auf Deutsch

Peter Schneider war zu Gast in der Loge und las aus seinem neuen Buch «Frühchinesisch». Das Publikum kam in Scharen, lachte viel, dachte nach, nickte und klatschte. Ein rundum gelungener Abend!

Ein Mann, Mitte 50, braune Haare, weisses Hemd, Hornbrille und ein Dreitagebart. Äusserlich wirkt dieser Herr, der gestern Abend in der Loge im Scheinwerferlicht auf der Bühne sass, ziemlich normal. Sympathisch und irgendwie so ein Durchschnittstyp. Peter Schneiders Können ist aber definitiv überdurchschnittlich. Wie kein Zweiter weiss der Satiriker und Psychoanalytiker mit der Sprache zu spielen, ja zu brillieren. Seine Sprachaffinität gepaart mit einem feinen Humor und beträchtlicher Lebensklugheit machen ihn unverwechselbar. Dieser Herr las gestern in der Loge aus seinem neuen Buch «Frühchinesisch» – eine Sammlung seiner neusten Kolumnen, die jeweils im «Tages-Anzeiger» und in der «SonntagsZeitung» erscheinen. Peter Schneider schreibt über den Altersgeiz, den Erfolg der SVP, über das Grüezi, Zugvögel und auch wie man Smalltalk betreibt. Es scheint, als sei Schneider der perfekte Ratgeber, der auf jede Frage eine Antwort weiss. So zum Beispiel auf die Frage, was es denn bedeuten würde, wenn der Mensch durch die Medizin in der Lage wäre, ewig zu leben. Schneiders Antwort: «Keine Ahnung.» Er halte das ewige Leben «schlicht für Blödsinn». Und weiter meint Schneider: «Zwar werden die Menschen seit tausenden von Jahren immer älter. Aber daraus zu schliessen, wir seien auf dem besten Weg zum ewigen Leben, erscheint mir so logisch, wie aus der Tatsache kontinuierlich sinkender Weltrekordzeiten in der Leichtathletik zu folgern, irgendwann in naher oder ferner Zukunft werde ein Mensch den Hundert-Meter-Lauf in null Sekunden absolvieren.» Das Publikum hatte viel zu lachen, nickte, strapazierte seine Hirnzellen, klatschte und war rundum zufrieden. Es war ein solider Auftritt von Peter Schneider. Ich fragte mich jedoch, ob es wirklich notwendig ist, Schneider lesen zu sehen. Denn seine Worte fahren gleichermassen ein, ob man sie hört oder liest. Teilweise musste ich mich fast zu sehr konzentrieren, als dass ich seine Worte noch geniessen konnte. Klar, Peter Schneider heisst nicht einfach reinziehen, lachen und gescheit fühlen, doch trotzdem mag ich seine Gedanken mehr auf Papier, da man so auch mal einen Satz zweimal lesen kann. Die Lesung war ein Schmaus für die das Gehör und Balsam für den Intellekt.