Federschwere Klangteppiche in Einjährigen Neubauten

Da das Jahr in strammen Schritten auf sein Ende hin marschiert, darf man es getrost wagen, das Konzert von H.J. Irmler und FM Einheit (Infos zu Hintergrund & Umständen hier) im Südpol als einer DER lokalen kulturellen Events des Jahres zu bezeichnen. Die beiden Soundkünstler schöpften aus den vollen Töpfen ihrer langjährigen Erfahrung. Vor und nach dem Hauptgang rundete der/das hiesige Krankenzimmer 204 als DJ das Menü mehr als würdig ab.

Am Programm an wird im Südpol momentan mehr Mauerfall (die deutsche Einheit sozusagen) - was man ja je nach dem gut oder schlecht finden kann - gefeiert, als das Jubiläum des Hauses. Wie es mir scheint, beging dieses nämlich ziemlich genau vor einem Jahr seine Einstandsfete. Howewer. Von meiner Seite jedenfalls ein herzlicher Glückwunsch und Dank für ein doch recht gelungenes erstes Jahr! Nun aber zum Fleisch am Knochen: Schon das Inventar auf der Bühne war aussergewöhnlich. Zu hinterst ein riesiges weisses Tuch, das nacheinander in verschiedenen Farben aufleuchtete. Davor zwei Metallfedern - eine lange schmale und eine kurze dicke - die von der Decke hingen, bemikrofont und an einen Mac angeschlossen. Daneben Bauinventar und ein Coop-Einkaufswägeli. Das war Einheits Bühnenhälfte. Irmlers Hälfte könnte man getrost als «his castle» beschreiben. Denn genau so sah sie aus. Hinter Mauern aus Tasteninstrumenten und Hecken aus Kabeln sass Dr. Faust höchstpersönlich und klang, als hätte er, für die Inspiration - die man an diesem Konzert zuhauf fühlen konnte - dem Deibel seine Seele verkauft. Dieser schien allerdings in Einheit gefahren zu sein, der sich, barfüssig auf der Bühne erschienen, an den schwebenden Federn zu schaffen machte, was zuweilen wie Masturbation, zuweilen wie Selbstzerfleischung aussah - als Leser dieser Hare-Krishna-Fortsetzungsromane blitzt einem da das Bild von Lord Nrisimhadeva vor dem inneren Auge auf - und un-erhört klang. Aber auch die gute alte Bohrmaschine wurde nicht in der Hornbach-Werkzeugkiste - für die ja sein Ex-Bandkollege Blixa Bargeld und seit neustem, was ich vom Hörensagen mitgekriegt habe, auch Endo Anaconda wirbt - gelassen. Nein! Einheit zog alle Register. Zangen, Schraubenzieher, etcetera, etcetera. Auch das Einkaufswägeli wurde liebevoll als Klangkörper (miss-)/(ge-) braucht. Der volle Saal war gebannt, eine selten erlebte Stille, die ans Andächtige grenzte, nahm die Zuschauertribüne ein. Seltsamerweise durfte in der grossen Halle geraucht werden - hat sich das prinzipiell geändert oder bloss konzertweise, kann mich da jemand mal aufklären? - was den Konzertgenuss spürbar bei vielen erweiterte. Das Projekt wird voraussichtlich auf Irmlers Label «Klangbad» veröffentlicht. Wer in F.M. Einheits - der in Deutschland unter anderem auch als Theater- und Hörspielkomponist aktiv ist - Stoff reinhören möchte, kann das hier tun Musik von Irmlers Hauptband «Faust» gibt`s hier zu hören.