Es dunkelt in den Leuchttürmen

Das Sparpaket der Stadt Luzern trifft auch die Kultur – und da vier grosse und populäre Institutionen: Das World Band, das Blue Balls und das Lucerne Festival sowie das Verkehrshaus verlieren 650'000 Franken. Stadtpräsident Urs W. Studer nimmt Stellung.

Die Stadt erhebt mehr Parkgebühren, kürzt Zusatzleistungen zu den AHV- und IV-Renten und nimmt nur noch motivierte Sozialhilfebezüger in die Beschäftigungsprogramme auf. Sie streicht 16,5 Stellen, erhöht die Tarife in der Musik- und der Tagesschule und reduziert ihre Beiträge an das Fanprojekt des FC Luzern oder an die Sicherheitspatrouillen der SIP. Das sind nur ein paar der 134 Massnahmen, mit denen der Stadtrat ab 2012 jedes Jahr rund 16,7 Millionen Franken einsparen will, um die Steuersenkung des Kantons abzufedern, aber auch die Mehrkosten aus der neuen Pflegefinanzierung. Betroffen vom Sparpaket 2011 ist auch die Kultur, dies im Gegensatz zum Sport, wo so gut wie nicht gekürzt wird. Anders als 2006 will der Stadtrat seine Kulturbeiträge nicht mehr linear (damals um 5 Prozent) kürzen. Die kleineren Veranstalter werden geschützt. Dafür trifft es vier Grosse: das Verkehrshaus, das Lucerne, das Blue Balls und das World Band Festival. Bei letzteren beiden werden die Jahresbeiträge halbiert, auf 81’000 bzw. 71’000 Franken. Beim Lucerne Festival und beim Verkehrshaus ist die Lage etwas anders: Diese Institutionen haben bisher von der so genannten «erfolgsabhängigen Rückerstattung der Billettsteuer» profitiert. Die wurde 1991 mit der Reorganisation dieser Steuer zunächst als Provisorium eingeführt und acht Jahre später dann gesetzlich festgeschrieben. Jetzt soll sie abgeschafft werden, weil sie einzelne Institutionen in ungerechter Weise privilegiere, wie der Stadtrat meint: Tatsächlich erhalten heute das Lucerne Festival, das Verkehrshaus, der Gletschergarten, das Bourbaki-Panorama, der Leichtathlektik Club, der Verein Pferderennen und der Regattaverein zwei Drittel ihrer Abgaben zurück. Alle anderen bezahlen die volle Billettsteuer. Durch die Abschaffung dieser Ungleichheit könnte die Stadt rund 1,3 Millionen Franken sparen. 800'000 Franken davon möchte sie aber in die erwähnten Institutionen zurückfliessen lassen. Vom Sparpaket betroffen wären damit nur noch das Lucerne Festival (mit 290’000 Franken) und das Verkehrshaus (mit 210’000 Franken). Im Gegensatz zu den anderen Institutionen werden hier die Ausfälle durch die Erhöhung des Jahresbeitrages also nicht voll ausgeglichen. Gar nicht betroffen von der Abschaffung der «erfolgsabhängigen Rückerstattung» ist der FC Luzern. Der Fussballverein wurde erst kürzlich in den Kreis der Privilegierten aufgenommen, und auch das nur befristet, nämlich auf fünf Jahre ab der Eröffnung des neuen Stadions. Diese Regelung sei Teil des Volksentscheids zum Stadion, sagt Kultur- und Sportchefin Rosie Bitterli. «Es wäre unstatthaft, sie jetzt rückgängig zu machen.» «Wir schaffen eine Ungerechtigkeit ab»

 
Stadtpräsident Urs W. Studer nimmt Stellung zum Sparpaket.

Urs W. Studer, das Sparprogramm trifft im Kulturbereich vor allem das Lucerne Festival und das Verkehrshaus – zwei populäre Institutionen, die sich in den letzten Jahren erfolgreich weiterentwickelt haben. Warum werden sie dafür bestraft? Urs W. Studer: Das Lucerne Festival und das Verkehrshaus sind heute stark privilegiert, weil sie zwei Drittel ihrer Billettsteuern zurückbekommen. Das war 1991, als man diese Steuer neu einrichtete, richtig, weil diese beiden Institutionen mit ihrem grossen Publikum sonst auf einen Schlag massiv belastet worden wären. Heute ist diese Bevorteilung einzelner Kulturanbieter kaum mehr zu rechtfertigen. Das Luzerner Theater, das Sinfonieorchester oder das Blue Balls Festival zum Beispiel bezahlen die volle Billettsteuer. Beim letzten Sparprogramm wurde bei allen Institutionen der Jahresbeitrag linear um fünf Prozent gekürzt. Damit verärgert man zwar alle, aber wäre das nicht gerechter? Nein. Erstens, weil wir auch mit der vorgeschlagenen Massnahme wie gesagt eine bestehende Ungerechtigkeit beseitigen. Und zweitens, weil es nicht so einfach ist mit der Gerechtigkeit. Fünf Prozent können für eine Institution zwar ärgerlich, aber gut verkraftbar sein. Für eine andere sind sie existenzbedrohend. Gerade, wenn man die Übung alle paar Jahre wiederholt. Der Stadtrat hat in den letzten Jahren immer wieder die Bedeutung der Kultur für die Standortattraktivität hervorgehoben. Jetzt wird ausgerechnet jenen zwei Institutionen der Beitrag gekürzt, die am weitesten ausstrahlen. Abraham Lincoln hat gesagt, dass man nicht die Schwachen stärken kann, indem man die Starken schwächt. Das ist gut gesagt, aber trotzdem nur die halbe Wahrheit. Die Kulturstadt Luzern besteht nicht nur aus dem Lucerne Festival und dem Verkehrshaus. Sie strahlt mit einem sehr breiten Angebot aus, in dem jede und jeder etwas nach seinem Geschmack findet. Ich halte es in diesem Fall darum eher mit meinem Vorgänger als mit einem amerikanischen Präsidenten des 19. Jahrhunderts. Franz Kurzmeyer hat gesagt: Lasst viele Blumen um mich sein. Trotzdem: Auch der Gletschergarten, das Bourbaki-Panorama, die Pferderennen, das Leichtathletik-Meeting und der Regatta-Verein haben bisher von der Rückerstattung der Billettsteuern profitiert. Mit Verlaub, das sind Anbieter von regionaler Bedeutung, aber sie erhalten auch in Zukunft gleich viel Geld von der Stadt. Ich gebe zu, dass das Lucerne Festival und das Verkehrshaus in dieser Sparrunde auch zum Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden sind: Wir mussten uns überlegen, welche Institutionen eine Subventionskürzung am besten verkraften. Und diese beiden sind – im Sponsoring wie beim Publikum – sehr erfolgreich. Sie weisen einen hohen Eigenfinanzierungsgrad aus. Im Verkehrshaus verursachen wir eine Budgetkürzung von 0,7 Prozent, beim Lucerne Festival sind es 1,1 Prozent. Weitere Verlierer der Sparrunde sind das Blue Balls und das World Band Festival. Ihnen wird der Jahresbeitrag halbiert. Warum ihnen? Beide Anlässe finden im KKL statt. Im Gegensatz zu anderen Festivals profitieren sie von der tollen Infrastruktur im KKL und damit indirekt auch stark vom finanziellen Engagement der Stadt im KKL. Zum Beispiel von den Nutzungsrechten, also von um 80 Prozent reduzierten Mieten. Es gab Gerüchte, wonach die Stadt auch im Bereich der Kinder- und Jugendkultur stark sparen wolle. Das ist nicht der Fall. Natürlich, wenn man sparen muss, denkt man über fast alle freiwilligen Leistungen der Stadt nach, und ob sie wirklich noch angeboten werden müssen. Aber wir waren im Stadtrat klar der Meinung, dass zu einer kinder- und familienfreundlichen Stadt auch Angebote wie das Kinderparlament oder die Tagesstätten gehören.

Im Gegensatz zur Kultur wird im Sport kaum gespart. Das Schwimmbad Zimmeregg ist das einzige Opfer. Das hat politische Gründe. Es ist eine Realität, dass viele Sportarten heute Mühe haben, sich zu finanzieren. So gibt es zum Beispiel einen Vorstoss im Parlament, der verlangt, dass von den Billettsteuern nicht mehr nur ein Drittel, sondern die Hälfte in den Sport geht – obwohl 90 Prozent der Einnahmen von der Kultur kommen und also bereits eine Umverteilung stattfindet. Ich persönlich lehne diesen Vorstoss ab. Aber gleichzeitig wäre es nicht sehr klug, durch Sparmassnahmen im Sport den politischen Druck zu erhöhen. Sport ist immer noch mehrheitsfähiger als Kultur. Nur, wenn wir vom Breiten- und Jugendsport reden. Klar, es gibt noch die einflussreichen Sportvereine, aber ich glaube, dass eine Mehrheit im Parlament, aber auch in der Bevölkerung erkennt, dass sich das Profil und die Ausstrahlung der Stadt Luzern heute eher ihrem Kulturangebot verdankt als ihren Sportevents. Die Stadt spart. Aber in der Kulturszene gibt es weiterhin viele, zum Teil neue Anliegen. Einige davon sind auch einigermassen dringlich. Wie gross ist der finanzielle Spielraum zum Beispiel für eine Atelierpolitik, für ein alternatives Kulturzentrum, für eine Budgeterhöhung im Südpol oder im Kleintheater? Die Sparmassnahmen, von denen wir reden, werden ab 2012 greifen. In den Rechnungen von 2012 und 2013 werden wir sehen, wie sie sich auswirken – und damit auch, wie gross der Spielraum für neue Anliegen ist. Dass die Situation schwierig ist, ist klar. Momentan bauen wir ab, und nicht nur in der Kultur, sondern zum Beispiel auch im Sozialen. Trotzdem muss es möglich sein, dass sich die Stadt für neue, gute, kreative Ideen engagiert. Die Sparmassnahmen sind also nicht gleichbedeutend mit einem Kulturmoratorium, wie wir es auch schon hatten? Nein.

(Bilder: zvg (Lucerne Festival), Georg Anderhub (Urs W. Studer). Erscheint im Kulturmagazin November 2010)